Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenrache und zehn weitere Erzählungen

Titel: Totenrache und zehn weitere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frank
Vom Netzwerk:
war wirklich geschehen? Er schaute sich um, so gut es ging. Freeman stellte fest, dass er in einem Bett lag, aber es war nicht sein eigenes – die Laken rochen zu sauber -, und auch das abgedunkelte Zimmer war ihm nicht bekannt. Er sah Schränke und einige Geräte und ein weiteres Bett, das leer stand.
    Ein Krankenhaus, dachte er. Wie war er hier hingekommen? Freeman erinnerte sich an seine verzweifelte Flucht und an den Unfall, der ein weiteres Opfer gefordert hatte. Sicher war der Mann mit den zuckenden Beinen inzwischen tot.
    Freeman sah die Bilder des um sich schlagenden Mannes und konnte sie nicht vertreiben. Das Blut, das aus seinem Mund tropfte, seine aufgeplatzten, deformierten Beine, das erstarrte Gesicht der lächelnden Frau darüber.
    „Nein ...“, schluchzte Freeman voller Trauer und legte eine Hand über seine Augen, als könne er damit die Schreckensbilder ausblenden. Er spürte den Verband, der um seinen Kopf gewickelt war.
    War er bis zum Zusammenbruch durch die Straßen gehetzt?
    Für einen Moment konzentrierte er sich auf den Gedanken, welche Erklärung er den Ärzten und der Polizei für seinen Amoklauf bieten sollte, aber er gab ihn auf, als ihm nichts weiter als Fetzen unsäglicher Ideen durch den Kopf gingen. Freeman sehnte sich plötzlich nach Schlaf. Es gelang ihm kaum noch, die Augen auf einen Punkt zu fixieren.
    Was immer er sagen musste, wenn man ihn nach den Gründen fragte, es würde ihm ganz sicher morgen einfallen. Mit diesem Gedanken schlief Freeman ein.

    Es war eine Regung, die ihn erwachen und voller Ratlosigkeit umherschauen ließ. Schließlich sah er im Halbdunkel eine Person in der Nähe der Tür stehen.
    Eine Krankenschwester, nahm er an, die gerade eingetreten war und nach dem Patienten sehen wollte.
    „Ich bin wach“, sagte er zu ihr, damit sie das Zimmer nicht wieder verließ. Obwohl sein Kopf noch schwer war von unverdauten Träumen und verabreichten Beruhigungsmitteln, empfand er das tiefe Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Krankenschwestern waren Kummer gewohnt, sicherlich würde sie ihn ein wenig trösten können.
    Sie rührte sich nicht.
    „Hören Sie?“, fragte er etwas lauter. „Ich schlafe nicht.“
    Er hörte das leise Lachen einer Frau, und er fragte sich, warum sie das tat.
    „Aber du solltest es tun.“
    Freeman riss voller Bestürzung die Augen auf. Diese Stimme ...
    „Erkennst du mich wieder, Robert?“ Christine kam näher heran, verließ das Dunkel der Schatten, in denen sie verharrt hatte. Ihr Gesicht war bleich und nun wieder ernst.
    Freeman wimmerte auf und hob beschwörend beide Arme. In seinem von Medikamenten umnebelten Hirn machte sich träge die Erkenntnis breit, dass sein Opfer ihn immer wieder würde aufspüren können.
    „Bitte verzeih mir“, schluchzte er, und einen Moment lang war seine Reue durchaus aufrichtig. Tränen traten aus seinen Augen. „Ich hab es nicht tun wollen.“
    „Robert“, murmelte die tote Christine. Sie stand am Fußende seines Krankenbettes und starrte mit geschwollenen Augen auf ihn nieder. Ihre Schönheit war dahin, radikal ausgelöscht. „Und ich hab nicht sterben wollen. Glaubst du nicht, dass es mir ein wenig Genugtuung bereiten würde, dir wehzutun?“
    Freeman konnte nur den Kopf schütteln und sinnloses Zeug brabbeln: nicht zu Ende gebrachte Entschuldigungen, Ausflüchte, Drohungen.
    „Hast Rattenfraß aus mir gemacht, weißt du das?“, fragte sie. „Sie haben mich regelrecht ausgehöhlt, die Biester. Sie schlafen in mir, sie verrichten ihr Geschäft in mir.“ Sie lächelte und spie dann bitter aus: „ Sie kacken in mir .“
    „Bitte!“, flüsterte Freeman leise. Er wollte das nicht hören.
    „Hätte Lust, dir meinen wahren Körper zu präsentieren, augenlos, ohne Gesicht. Du solltest ihn sehen, mein Schatz .“ Sie kam um das Bett herum.
    Freeman starrte ihr aus angstgeweiteten Augen entgegen. Wieso kam denn niemand?, überlegte er. Wieso schaute niemand von diesen verdammten Ärzten nach ihm?
    Christine hockte sich rittlings auf seinen Brustkorb. Er konnte ihren Körper riechen, von dem eine Ausdünstung von Zersetzung ausging. Altes Fleisch, dachte er, totes Fleisch. Plötzlich spürte er den Druck ihrer Hände an seinem Hals, und der Gedanke ging dahin. Freeman packte ihre Handgelenke und riss und zerrte mit aller Kraft an ihnen, aber er bekam sie nicht weg. Christines Gesicht war über dem seinen, es wirkte ruhig und gelassen. Blickte es nicht sogar ein wenig freundlich?
    „Schlaf ein“,

Weitere Kostenlose Bücher