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Totenrache und zehn weitere Erzählungen

Titel: Totenrache und zehn weitere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frank
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murmelte sie. Sie drückte unnachgiebig zu und lockte die grauen Schatten des Todes heran.

Simmons Heimkehr

    Simmon saß auf einem klapprigen Stuhl und ließ die einschläfernden Ratschläge über sich ergehen, während er gelangweilt auf seine Hände schaute und die Muster der zahlreichen Narben studierte. Manchmal gähnte er herzhaft und provozierend. Zwölf Jahre Gefängnis waren nun vorüber, und alles, was man ihm zu sagen hatte, war, wie gefährlich es draußen war.
    Sein Gegenüber, Direktor Emmersson, irritierte die völlige Gleichgültigkeit Simmons nicht. Er wußte, dass es verlorene Worte waren, die er da sagen musste. Kaum einer lauschte hier in Anbetracht der Freiheit noch seinen Ratschlägen. Im Grunde war es Emmersson egal, wenn er auf taube Ohren stieß. Die meisten kamen ohnehin zurück. Sollte die Welt, verändert und kahl, sie nicht verschlucken, dann tat es eben das Staatsgefängnis.
    „Tja“, meinte er nun, „dann wünsche ich Ihnen alles Gute.“
    Sie erhoben sich beide und schauten sich über den mit Aktenbergen beladenen Schreibtisch hinweg an, dann ging Simmon grußlos zur Tür und verließ das von Stumpfsinn besudelte Zimmer.
    Von einem glatzköpfigen Wärter nahm er seine persönlichen Sachen – etwas Geld, ein Schweizer Taschenmesser, eine taubeneigroße Stahlkugel und andere Dinge - entgegen und quittierte den Empfang. Zwei Minuten später fiel das schwere Tor hinter ihm zu, und die Freiheit schloß Simmon in die Arme.

    Zwei Dinge fielen ihm auf, eines verstörender als das andere. Die Welt war fast dieselbe wie die hinter den Mauern, die ihn ausgespuckt hatten. Die Grenzen waren vielleicht nicht so eng gesteckt, aber doch fühlbar. Vor zwölf Jahren hatte sie anders ausgesehen: bunter, lebhafter. Hier und jetzt entdeckte Simmon jedenfalls nichts Euphorisches mehr, nichts noch nie Entdecktes. Er blickte hinaus in den stahlblauen Himmel, die Helligkeit schmerzte seinen weit aufgerissenen Augen, aber sie brannte nicht die Verzweiflung fort, die über ihn hinwegströmte. Er hätte keinen konkreten Grund für sein Empfinden nennen können. Die Kälte hätte einer sein können, die Stille ein anderer. Er wußte es nicht.
    Da war noch etwas, das ihn verwirrte: Er wurde erwartet. Einen Steinwurf entfernt, in den Schatten eines verwahrlosten Waldes, stand jemand und starrte zu ihm hinüber. Einen Augenblick verharrte Simmon reglos im Schutz der Gefängnismauern, dann ging er zögerlich in die Richtung des Mannes, dessen Gesicht von einer ungesunden Blässe war, genau wie die Hände, als wären sie mit Wachs überzogen.
    Nachdem er die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, zögerte Simmon erneut. Muller?, dachte er. Er spürte, wie Panik – Schmerz und schlechter Geschmack in einem – in ihm hochschoss. Er kam näher heran und wusste dann mit Bestimmtheit, dass er sich nicht irrte. Es war Muller. Bilder zersprangen vor seinem inneren Auge, Schnappschüsse aus der Hölle: züngelnde Flammen und in ihnen ein Mann, dessen brennendes Fleisch einen unbekannten Duft verströmte und der kreischte und bettelte und schließlich zuckend zusammenbrach. Simmon sah gezückte Waffen und grelles Blaulicht und entsetzte Gesichter. Die letzten Sekunden im Leben des Bastards Muller und die Minuten danach.
    Simmon schüttelte den Kopf. Muller war tot, daran konnte es gar keinen Zweifel geben. Aber das Gesicht dort vorn, es sah ihm so unglaublich ähnlich, und die Gewissheit wurde mit jedem Schritt, den er tat, größer und unwiderlegbarer. Aber wie war das möglich? Und wenn das Unfassbare tatsächlich geschehen war: Was wollte Muller?
    Simmon blickte in Totenaugen, Mullers Gesicht war eine reglos-blasse Fläche, die von Schatten durchkreuzt wurde; der Sonnentaint von früher war verschwunden. Es wurde zur Gewissheit: Muller war aus dem Grab zurückgekehrt. Aber es gab andere Rätsel, nicht nur dieses offensichtliche. Der Mann wirkte nicht so, wie man sich jemanden vorstellen würde, der ein Dutzend Jahre im Grab gelegen hatte. Da war Fleisch auf den Knochen, das beinah gesund aussah. War er konserviert worden? Das mochte zutreffen, Muller sah wiederbelebt und dennoch Furcht erregend tot aus.
    „Was willst du hier?“ Simmons Stimme glich einem Krächzen. Er erwartete keine Antwort und er bekam auch keine. Aber der Grund der Wiederkehr lag auf der Hand: Der Treibstoff, der Muller nun vorantrieb, hieß Rache. Nichts anderes hätte ihn von der Behaglichkeit seines Bettes vertreiben können. Er wollte

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