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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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natürlich alles tun würde, um Sie bei der Mördersuche
zu unterstützen. Eine schreckliche Geschichte ist das.« Sie verkrampfte ihre
Hände ineinander und hob den Blick nach oben, als würde sie ein Gebet zum
Himmel senden.
    »Sie hatten Bereitschaftsdienst, sagten Sie? Was meinten Sie damit?«,
fragte Lüthje.
    »Aber das müssen Sie doch wissen. Wir Bestatter haben einen
Bereitschaftsplan. Wie die Apotheker und Ärzte. Wir müssen bereit sein, zu
jeder Tages- und Nachtstunde, wenn Sie oder einer Ihrer Kollegen anruft, um
eine Leiche zu transportieren.«
    »Und Ihre Firma ist heute dran?«
    »Unser Institut hat heute vierundzwanzig Stunden Bereitschaft.«
    »Haben Sie den Plan zufällig da?«
    »Ich hab das im Kopf. Der Plan liegt in den Geschäftsräumen in
unserem Hauptsitz in Kiel. Glauben Sie mir etwa nicht?«, sagte sie mit einem
neckischen Lächeln.
    Lüthje nahm sich vor, das nachprüfen zu lassen. Aber da die
Spurensicherung sicher bis in den späten Abend zu tun hatte und die Leiche erst
danach abgeholt werden sollte, eilte das nicht.
    »Darf ich Ihnen etwas anbieten?«, fragte sie und erhob sich.
    »Nein, danke, nicht nötig«, sagte Lüthje. Sie war der Typ, der einen
vergiften würde.
    »Aber Sie gestatten sicher, dass ich trotzdem einmal in der Küche
nach dem Essen sehe?«, sagte sie und verschwand aus dem Zimmer. Er hörte sie in
der Küche klappern.
    Lüthje sah sich im Wohnzimmer um. Neben der Tür zum Flur stand der
Esstisch, an der Wand daneben hing ein großes, dunkles Ölgemälde. Ein
gekrümmter, verkrüppelter Baum in einer formlosen schmutzig grünen Landschaft.
    Eine mächtige Schrankwand in dunkler Eiche nahm eine Seite des
Wohnzimmers ein. In der Mitte befand sich ein Regal, in dem Bücher standen.
Mehrere Bände zur Geschichte des Deutschen Reiches im neunzehnten Jahrhundert,
Goethes gesammelte Werke, »Die Frau als Hausärztin«, mindestens tausend Seiten.
»Gebote der Freiheit« von Franz Josef Strauß. Ganz unten standen Fotoalben. Als
Lüthje gerade das dicke altersgelbe Album aufschlagen wollte, hörte er ihre
Stimme aus der Küche fragen: »Möchten Sie nicht doch einen Kaffee, es macht
wirklich keine Umstände!«
    Einen kräftigen Tee hätte Lüthje gern gehabt. Aber er wurde die
Vorstellung nicht los, dass sie in der Küche bei der Zubereitung eine
Messerspitze von einem Pülverchen in seine Tasse fallen lassen und anschließend
gut umrühren würde.
    »Nein, danke, wirklich nicht!«, rief Lüthje.
    Er stellte das Album wieder an seinen Platz und ging in die Küche,
die schräg gegenüber vom Wohnzimmer lag.
    Sie stand am Herd, über einen großen Bratentopf gebeugt, und zupfte
mit einer Gabel an einem Stück hellem Fleisch, das aus der Brühe glasigen Fetts
heraussah. Sie pustete hastig, steckte es mit lutschenden, schlürfenden
Geräuschen in den Mund und schluckte es gierig hinunter, wobei sie ein
gurgelndes Geräusch von sich gab.
    »Möchten Sie auch mal probieren?« Sie sah ihn keck an und hielt ihm
die Gabel mit einem Stück Fleisch hin, darunter in der anderen Hand ein
Unterteller, in den das Fett tropfte.
    »Nein, danke, meine Frau hat mir Trennkost verordnet«, sagte Lüthje.
    Mit Schmollmündchen legte sie das Fleisch wieder in den Topf. »Ich
kann mir das gute Fleisch aber erlauben. Was meinen Sie?«, fragte sie und
strich sich kokett über die magere Hüfte. »Sie wissen nicht, was Sie versäumen.
Junge Pute«, sagte sie und stocherte wieder prüfend im Fleisch herum.
    »Wohnen Sie allein?« Er ging in den Flur und vergewisserte sich,
dass er seinen Ehering trug.
    Als sie aus der Küche kam, sah er interessiert die Treppe hoch. Auf
dem Treppenabsatz stand eine Vase mit vertrockneten Zweigen.
    »Mein Sohn hat oben eine Wohnung«, sagte sie.
    »Von dort haben Sie mir und meinen Kollegen so freundlich bei der
Besprechung zugewinkt?«, fragte Lüthje.
    »Ich habe nichts von Ihrer Besprechung verstanden«, sagte sie
ausweichend. »Sie können also ganz beruhigt sein, Herr Hauptkommissar.«
    Nichts verstanden ,hat
sie gesagt. Also hat sie versucht zuzuhören, dachte Lüthje.
    »Ist Ihr Sohn öfter zu Besuch?«
    »Er ist nicht zu Besuch. Er ist hier zu Hause.«
    »Also wohnt er hier?«
    »Er hat noch eine Wohnung in Kiel.«
    »War er gestern Abend hier?«
    »Nein.«
    »Wo waren Sie gestern?«
    »Äh, hier. Im Haus. Was denken Sie denn?«
    »Sie waren also allein im Haus?«
    »Mein Gott, ja! Wieso fragen Sie?«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass man von dort oben einen

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