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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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die dazugehörende Rechnung mit Namen und Adresse des
Käufers. Hätte. Da war noch die Armbanduhr. Mit Datums- und Wochentagsanzeige.
Das Fabrikat wurde vor fünfzig Jahren das erste Mal auf den Markt gebracht, wie
das Landeskriminalamt schon mitgeteilt hatte. Mehrfach repariert. An der Uhr
schien sein Herz zu hängen. In welchen Jahren genau diese Modellvariante
verkauft worden war, konnte noch nicht ermittelt werden. Der Hersteller war vor
dreißig Jahren in Konkurs gegangen.
    Niemand vermisste den Mantelmann bisher. Ein Pflegeheim hätte sich
schon längst gemeldet. Wohnte er allein? Ob dann jemals einem Nachbarn sein
Verschwinden aufgefallen wäre? Das war eine Frage der Zeit. Ob dieser Nachbar
dann die Polizei anrufen würde, war eine Frage des Glücks.
    Vielleicht würde er bald im Krankenhaus die täglich wiederholte
Frage der Ärzte nach seinem Namen beantworten können. Bisher brachte er nur ein
Zucken der Lippen zustande.
    Die Chancen, dass der Mantelmann mit den Vorgängen im Drübbisch-Haus
etwas zu tun hatte, schätzte Lüthje auf fünfzig zu fünfzig. Vielleicht hatte
ihn wirklich nur das Schild des Maklers angelockt. Wenn er jemand war, der sich
für ein Haus in schöner Strandnähe interessierte, war er nicht dement. Dann
fragte Lüthje sich, warum er auf ihn diesen Eindruck gemacht hatte.
    Eine Erklärung wäre der Schock, der durch den Anblick der Leiche
verursacht worden war. Lüthje hatte viele Menschen kennengelernt, die einen
ermordeten Menschen aufgefunden hatten. Sie hatten noch bei der Befragung
geschrien, geweint, gestammelt, gezittert oder alles zusammen. Aber keiner
hatte geschwiegen und den Eindruck von Demenz vermittelt. Allerdings könnte
sich Lüthje vorstellen, dass diese Symptome auf den besonderen Schock im Falle
der persönlichen Betroffenheit zurückzuführen waren. Wenn der Ermordete ein
Verwandter oder Lebenspartner des Mantelmannes war.
    »Moin, Herr Lüthje, suchen Sie etwas?« Steffens kam von der
Promenade her auf ihn zu.
    Erst jetzt wurde Lüthje bewusst, dass er am Strand im Kreis
umhergegangen war und dabei zu Boden gesehen hatte. Wie bei einer
Dienstbesprechung.
    »Erst erzählen Sie mir, ob Sie was gefunden haben«, sagte Lüthje.
    »Ich habe mir den Garten noch einmal angesehen. Die Spurensicherung
hat ja jeden Grashalm umgedreht, aber ich bildete mir ein, dass ich vielleicht
doch die Tatwaffe entdecke oder etwas anderes Wichtiges.«
    »Und ich suche einen Strandkorb. Hier auf Höhe des Tathauses. Aber
hier ist der Strand wohl zu schmal geworden. Warum eigentlich?«
    »Da streitet man sich im Gemeinderat drüber. Ein Gutachter hat
gesagt, dass für die Aufstellung des U-Bootes Ende der sechziger Jahre der
Grund ausgebaggert worden ist und sich die Strömungsverhältnisse dramatisch
geändert haben. Und wenn es bei Nordweststurm so richtig zur Sache geht, so ab
Windstärke acht, dann können Sie den nächsten Tag bei den Häusern an der
Strandstraße das angetrocknete Meersalz von den Scheiben kratzen. Letztes Mal
ist dabei der alte Strandkiosk unterspült worden. Deshalb sagen manche im
Gemeinderat, dass der Klimawandel schuld ist. Sicher ist nur, dass der Strand
hier langsam, aber sicher ausgewaschen wird. Nicht, dass die im Gemeinderat
einen Grund suchen müssten, um sich zu streiten.«
    »Alles eine Frage der Perspektive. Wie lange sind Sie eigentlich
schon in Laboe?«
    »Seit ich Stationsleiter wurde. Das ist knapp vier Jahre her.«
    »Und aus welcher Ecke kommen Sie?«
    »Aus Heikendorf. Also wirklich grad um die Ecke.«
    »Und Ihre Frau?«
    »Laboerin. Seit ihrer Geburt.« Steffens lachte auf.
    »Haben Sie Kinder?«
    »Zwei Jungens. Sechs und zehn.« Er sah Lüthje von der Seite an.
Vielleicht hatte es sich unter den Kollegen hier schon herumgesprochen, dass
der Ermittlungsgruppenleiter kinderlos war.
    Als Lüthje nichts von sich erzählte, fuhr Steffens unvermittelt
fort: »Frau Klockemann hatte gestern Abend noch einen Auftritt.«
    »Hab ich was versäumt?«
    »Ich glaube, ja. Der Bestatter Preller hatte mit seinem Gehilfen
gerade die Trage mit dem Leichensack zum Wagen gebracht, da war sie plötzlich
da. Und hat geschimpft wie eine Krähe, der man das Futter stiehlt.
Entschuldigen Sie den Ausdruck, aber so sah sie auch aus dabei. Ich hatte den
Eindruck, dass Herr Preller und sein Gehilfe das schon kannten. Die haben so
getan, als sei sie gar nicht da.«
    »Sie selbst scheinen sie auch gut zu kennen.«
    »Ich habe viel Papierkrieg, in dem ihr Name auftaucht.

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