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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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Anzeigen.
Beleidigung und üble Nachrede. Von ihr und gegen sie. Die Anzeigen gegen sie verteilen sich recht gleichmäßig über die
Einwohnerschaft von Laboe.«
    »Kommen Sie, wir gehen ein bisschen den Strand entlang. Als ich Sie
vorgestern Abend anrief … erinnern Sie sich?«
    Steffens nickte.
    »Ich hab Ihnen meine Beobachtungen geschildert, und Sie wurden
neugierig und haben mir dann ein Loch in den Bauch gefragt. Und dann hörte ich
irgendwann eine weibliche Stimme im Hintergrund. Sie sagten, dass das Ihre Frau
wäre, und sie hätte nur alte Dorfgeschichten erwähnt. Ich bin auch neugierig
geworden. Was genau hat Ihre Frau, die gebürtige Laboerin, Ihnen zugetuschelt?«
    »Sie hat gesagt, dass es vor ein paar Monaten den Selbstmord in dem
Haus gegeben hat. Ich wusste im Moment nicht, dass es sich um dasselbe Haus
handelt. Meine Frau erwähnte auch noch den Mord am Vater des Horst Drübbisch.«
Er zögerte.
    »Erzählen Sie weiter. Ich bin ganz Ohr.«
    »Das war Anfang der Siebziger. Da war meine Frau knapp zehn Jahre
alt. Das Drübbisch-Haus, so hieß das ja damals schon, weil der Mann Millionär
war, so sagte man jedenfalls, und ein wichtiger Mann in einem Ministerium in
Kiel. Er war auch im Laboer Gemeinderat und natürlich Vorsitzender des
Finanzausschusses. Er wurde von einem DDR -Agenten
ermordet, in seinem Haus in der Strandstraße, und zwar auch im Flur. Darüber
wurde noch jahrelang geredet. Vor allen Dingen, weil die Frau dort weiter
wohnte. Da wurde geklatscht und getratscht, dass sich die Balken bogen, sagt
meine Frau.«
    »Haben Sie Herrn Schackhaven gestern davon etwas erzählt?«
    »Ja, das habe ich. Hat er Ihnen nichts …« Er sah Lüthje fragend an.
    »Nein, hat er nicht. Aber jetzt weiß ich Bescheid. Danke, Herr
Steffens. Sagen Sie, wie hat Herr Schackhaven reagiert, als Sie ihm die
Geschichte erzählten?«
    »Herr Schackhaven fragte mich, ob ich sicher bin. Als ich
wahrheitsgemäß erzählte, dass meine Frau mich darauf aufmerksam gemacht hat,
winkte er sofort ab und sagte, wenn da was dran ist, wird das Herr Lüthje schon
prüfen.«
    »Herr Schackhaven hat mir nichts gesagt, weil er Angst hatte, dass
ich die Sache fallen lasse wie eine heiße Kartoffel. Aber er weiß im Moment
wohl nicht, wem er diesen Fall vertrauensvoll übergeben kann.«
    Steffens sah Lüthje mit offenem Mund an.
    »Und Sie stecken mit drin, Herr Steffens, weil Sie so nebenbei
Mitglied der Ermittlungsgruppe Friedenshügel sind«, sagte Lüthje.
    »Friedenshügel?«, fragte Steffens.
    »Wissen Sie was Besseres?«
    Steffens grinste und schüttelte den Kopf.
    »Wissen Sie, ob bei Sundermeier jemand zu Hause ist?«, fragte Lüthje
und sah zur Strandstraße.
    »Ich denke schon, ich hab den Herrn Oberstudienrat Sundermeier am Fenster
zur Straße gesehen, als er unser Streifenfahrzeug betrachtete. Als wir bei ihm
klingelten, um ihm den Steckbrief zu geben, hat er nicht geöffnet. Wir haben
ihn in den Briefkasten geworfen.«
    Ein Sprinter hielt vor dem Drübbisch-Haus.
    »Ich glaube, der Tatortreiniger kommt«, sagte Lüthje. »Weisen Sie
den mal ein.«
    Steffens verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

2.
    Das Haus von Sundermeier stand dem Ehrenmal am nächsten.
Es war im Stil einer Gründerzeitvilla erbaut und weiß verputzt, obwohl die
verspielten Linien nach Farbe schrien. Hinten zum Garten war eine moderne
Wendeltreppe aus verzinktem Stahl angebaut worden. Auf dem Türschild stand in
schwarzen verschnörkelten Schreibschriftbuchstaben: »Dr. Albert und
Lambert Sundermeier«.
    Als sich die Tür öffnete, hob Lüthje seine Dienstmarke, und bevor er
sich vorstellen konnte, fiel Dr. Sundermeier ihm ins Wort.
    »Warten Sie einen Moment, ich muss die Post holen.« Er ging an
Lüthje vorbei zum weißen Postkasten, der hinter der weiß getünchten Grundstücksmauer
stand, mit der Einwurfklappe zum Bürgersteig. Der Briefträger musste also das
Grundstück nicht betreten. Sundermeier öffnete den Briefkasten von hinten,
entnahm einen Stapel Briefe und bat Lüthje ins »Strandzimmer«.
    Albert Sundermeier legte seine Brille auf einem Beistelltisch neben
seinem Sessel ab und sah den Poststapel durch, als habe er vergessen, dass er
einen Gast hatte. Er war etwas untersetzt und deshalb nur wenig größer als Frau
Klockemann. Sein grauweißes Haar war erstaunlich dicht, ungekämmt und fiel ihm
ständig ins Gesicht.
    Lüthje widerstand dem Impuls, ihm zu sagen, dass er doch mal zum
Friseur gehen sollte.

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