Totenreigen
fragte Lüthje.
»Na, da steht noch einiges herum. Es ist zwar besenrein, aber das
ist alles. Außerdem kann schon eine zerbrochene Fensterscheibe auf einen
potenziellen Käufer einen schlechten Eindruck machen.«
Striedel verhält sich ähnlich wie Klockemann senior mit seiner
Grabkontrolle am Vorabend einer Beerdigung, dachte Lüthje.
»Wann kann ich wieder in das Haus?«, fragte Striedel.
»Das entscheidet die Staatsanwaltschaft.«
Striedel notierte sich etwas auf seiner Schreibtischunterlage.
»Sie entscheidet auf meine schriftliche Anregung hin«, setzte Lüthje
hinzu.
Striedel strich das Notierte wieder durch und wirkte plötzlich sehr
aufmerksam.
»Frau Drübbisch sagte mir, dass es zwei Interessenten gibt, die sich
gegenseitig überbieten«, sagte Lüthje.
»Ja …« Striedel sah wieder auf seine Schreibtischunterlage. »Es
sieht so aus … dass sich die Sache zugunsten eines Interessenten entschieden
hat.«
»Weiß Frau Drübbisch davon? Sie muss sich doch entscheiden.«
»Ich werde Frau Drübbisch nach vollständiger Prüfung des Angebotes
unterrichten. Aber dass der Interessent den höheren Preis bietet, dürfte auch
für Frau Drübbisch das Wichtigste sein.«
»Wie viel bietet er? Wie heißt er?«
»Ich weiß nicht, ob Frau Drübbisch …«
»Ich ermittle in einem Mordfall, Herr Striedel. Wir müssten also
jetzt die Unterhaltung in meinem Kieler Büro fortsetzen. Das wäre praktisch,
weil wir von Ihrer Aussage gleich ein Protokoll aufnehmen können.« Lüthje erhob
sich. »Ich hole meinen Dienstwagen. In zehn Minuten hol ich Sie ab.«
»Nein, warten Sie! Setzen Sie sich doch!« Er lächelte gequält. »Es
ist nur … meine Nerven …«
»Was ist?«, fragte Lüthje streng.
»Ich bin der Interessent.«
»Ach!« Lüthje machte es sich wieder im Sessel bequem.
»Es brauchte seine Zeit, bis ich das Konzept entwickelt hatte. Frau
Drübbisch hätte es in der Anfangsphase womöglich abgelehnt. Aber schließlich
mach ich das nicht zum ersten Mal.«
»Es gab also keinen fremden Interessenten. Sie selbst sind es. Warum
waren Sie am Tatort?«
»Ich wollte prüfen, ob man nicht aus Kostengründen ein paar tragende
Wände stehen lassen könnte. Ich plane ansonsten einen Abriss.«
»Was planen Sie? Nun mal Butter bei die Fische! Spucken Sie endlich
alles aus, Mann!«, polterte Lüthje.
»Ein Mehrgenerationenhaus.«
»Was ist das?«
»Mehrere Generationen unter einem Dach. Das alte Haus wird
abgerissen und ein passgenaues für den ermittelten Bedarf der zukünftigen
Eigentümergemeinschaft an seine Stelle gesetzt.«
»Wusste Horst Drübbisch von Ihren Plänen?«
»Ja, er wollte sich daran beteiligen.«
»Hinter dem Rücken seiner Mutter?«
»Ich weiß nicht, was er ihr gesagt hat.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Ich weiß von ihr, was Sie ihr gesagt
haben. Sie haben ihr offensichtlich verschwiegen, dass Sie mit ihrem Sohn, dem
inzwischen ermordeten Horst Drübbisch, eine Gesellschaft gegründet haben, die
das Drübbisch-Haus für einen vermeintlich guten Preis seiner Mutter abkauft, es
abreißt und an seiner Stelle einen Wohnblock mit Eigentumswohnungen und vielen
Balkons baut und dabei einen satten Gewinn macht. Genau das entnehme ich Ihren
blumigen Worten. Wie viel wird das für Sie abwerfen? Auf jeden Fall das
Doppelte, weil Horst Drübbisch nicht mehr dabei sein kann. Wie viel bleibt für
Frau Drübbisch über?«
»Das weiß ich noch nicht genau. Ich habe bisher acht Vorverträge.
Senioren, Paare mit und ohne Kinder, Junge, Alte, Singles …«
»Kann so eine Eigentümergemeinschaft funktionieren?«
»Natürlich kann es immer mal Streit geben, gerade in der
Planungsphase. Aber für so was haben wir einen Mediator, einen professionellen
Streitschlichter aus dem kirchlichen Bereich. Für alles gibt es eine Lösung.«
»Schön. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, so ein
Mehrgenerationenhaus zu bauen?«
»Es war nicht meine Idee«, gestand er beschämt. »Niemand weiß, wer
diese Idee hatte. Dieser Markt boomt im Moment. Das Interesse ist einfach da.«
»Sie schwimmen also auf einer Welle?«
»Verstehen Sie bitte. Wir erfüllen den Menschen den Wunsch nach
einem sinnerfüllten Leben. So wie es schon im Neuen Testament verkündet wird.«
»Sind Sie religiös?«
»Ich weiß nicht, was Sie darunter verstehen. Ich bin gläubig, ja.
Ich bekenne mich ganz offen dazu.«
»Hat Jesus nicht etwas gegen Zinswucher gehabt?«
»Was hat das damit zu tun?«
»Sie werden doch bei der
Weitere Kostenlose Bücher