Totenruhe
Arme. Der schaute verbittert auf das Duo. »Ach ja, der Herr Pastor ist schon da. Na, ist der Fall geklärt?«
Sauerbier tat entrüstet. »Ich werde Ihnen doch nicht ins Handwerk pfuschen.« Der Polizist nickte. »Pfusch ist das richtige Wort. Bleiben Sie bitte noch etwas. Ganz sicher müssen Sie mir einige Fragen beantworten.«
Sauerbier spürte Unbehagen, und Lindemann überlegte, ob die Worte des Kommissars auch für ihn bestimmt waren. Nun traf die Spurensicherung in der Werkstatt ein. Metallkoffer wurden hineingetragen. Gleichzeitig zog sich die Unfallwagen-Besatzung zurück.
Nach einer Viertelstunde kam einer der Polizisten heraus. »Welche Schuhgröße haben Sie?« Sauerbier wagte nicht, nach dem Sinn dieser Ermittlung zu fragen. »42«. Lindemann ergänzte »44«. Ihn beunruhigte die Frage. »Stoll hat von einem Fall gesprochen.« »Ja, der Fall der Grabplatte auf den armen Sellner.« »Unsinn, der geht von einem Verbrechen aus.« Sauerbier nickte geistesabwesend. »Das ist sein Beruf.«
»Wir haben auch unsere Berufe. Wieso hängen wir immer knietief in der kriminellen Szene?«
Nach einer Weile zog die Spurensicherung mit ihrem Gepäck ab. Stoll kam heraus und zündete sich eine Zigarette an.
»Hatte Sellner Feinde«, wollte er von Sauerbier wissen. Der überlegte kurz und schüttelte den Kopf. »Einer wie Sellner hat keine Feinde. Das war ein souveräner Typ, geachtetes Mitglied unserer Bürgerinitiative für den Bergfriedhof.«
Der Polizist setzte nach. »Sagen Sie mir etwas über Kilian.« Der Pastor wurde eifrig, seine Kenntnis war gefragt. »Kilian ist auch in unserer Bürgerinitiative. Macht viel im Schützenverein. War lange arbeitslos, ist jetzt bei Cordes beschäftigt. Ein zuverlässiger Mann.«
»Hatte der eine offene Rechnung mit Sellner?«
»Nein, ganz bestimmt nicht.«
»Man kann in niemanden hineinschauen, Herr Pastor. Kilian war vermutlich der letzte Besucher in der Werkstatt. Und der steht unter dringendem Tatverdacht.« Stoll verabschiedete sich, was Ellen Sellner als Zeichen nahm, den Pastor anzusprechen. »Da ist noch etwas«, druckste sie, »es brennt mir schwer auf der Seele. Herr Pastor, helfen Sie.«
Sauerbier tätschelte der Frau die Schulter und versprach Hilfe jedweder Art. Die Frau trug nach dem Tode ihres Mannes offensichtlich an einer Last, der sie nicht mehr gewachsen war.
»Es geht um Preul, Karl Preul.« Die Frau begann bedeutungsschwer. »Der ist ja nun tot und mein Mann auch. Mein Mann hat da vor drei Jahren etwas gemacht, was ganz furchtbar ist.«
»Liebe Frau Sellner, Sie dürfen mir alles erzählen, ich unterliege der Schweigepflicht.« Sauerbier hätte sich auch in diesem Moment keinen anderen Beruf gewünscht als den des Seelsorgers.
»Preul war vor drei Jahren schon mal tot. Durch meinen Mann. Es ist so furchtbar.« Die Frau begann zu heulen. Sauerbier tröstete durch Handauflegen. »Kein Mensch stirbt zweimal. Was Ihr Mann vor drei Jahren gemacht hat, kann so schlimm nicht gewesen sein. Also erzählen Sie.«
»Er hat einen Totenschein auf Preul ausgestellt, weil der verfolgt wurde und Todesangst hatte. ›So nehme ich ihn aus der Schusslinie‹, hat er gesagt und den Schein mit dem Namen eines Arztes aus Ronnenberg unterschrieben, der gerade in den Ruhestand gegangen war. Auch einen Stempel hat er sich über das Internet besorgt. Den Vordruck für den Totenschein natürlich auch. Fritz kannte einen beim Standesamt, der hat den Schein dann dort deponiert. Alles sah ganz echt aus und es hat auch niemand danach gefragt. Aber jetzt … jetzt kann ich damit nicht mehr leben.«
»Haben Sie das dem Kommissar erzählt?«
Die Frau schüttelte entsetzt den Kopf. »Nein, nur Ihnen. Herr Pastor helfen Sie mir.« »Ist schon geschehen, Frau Sellner. Vergessen Sie die Sache. Übrigens: Üblicherweise übernimmt die Gemeindepastorin oder der Gemeindepastor den Gottesdienst bei der Trauerfeier. Wenn Sie es wünschen, würde ich es aber auch tun. Ich habe noch alle kirchlichen Vollmachten.«
»Ja bitte, Herr Pastor. Nur Sie. Ich bin Ihnen ja so dankbar.«
37.
Sauerbier und Lindemann waren sich ganz sicher, dass sie ihr Feierabendbier an diesem Tage besonders verdient hatten. Als sie wieder auf dem Berg ankamen, war der Info-Stand der Bürgerinitiative schon verschwunden. Auch das Seifenkistenrennen hatte längst seine Sieger gesehen. Nur der Biergarten am Turm war noch gut besetzt.
Die Witte und Werendt dominierten einen größeren Tisch, an dem mehrere
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