Totenruhe
habe sie gefragt, was ihr Mann denn dauernd auf dem Friedhof mache, da brauche doch keiner mehr einen Haarschnitt. Da hat die mich vielleicht vorwurfsvoll angesehen und schnell das Gespräch gewechselt. Nachher an der Kasse hörte ich noch, wie sie zu einer anderen Kundin sagte, dass es auf dem Friedhof auch nicht mehr geheuer sei.
Gibt es in Linden nur noch den Bergfriedhof? Früher habt ihr doch über Fußball und sonst was geredet. Was ist denn jetzt eigentlich los?« Lindemann vermisste Gespräche über Fußball. »Vielleicht liegt das am erfrorenen Karl Preul und dem erschlagenen Fritz Sellner. So was ist bei uns nicht alltäglich, wir sind ja nicht in Chicago.«
»Vielleicht sind wir schon längst in Chicago und haben es nur nicht gemerkt. Weißt du, dass im Fernsehen pro Woche 400 Morde vorkommen? Unseren schlecht beschulten Kids muss das doch als normal erscheinen. Weißt du, was einer meiner Schüler geantwortet hat, als ich ihn fragte, wie Luther auf den Bann des Papstes reagierte? Der habe ihn über den Haufen geschossen, hat er gesagt und war fest davon überzeugt. Da kannst du doch nur noch deine Bücher zusammen packen und sagen: Schluss damit, ich mache jetzt etwas Vernünftiges und züchte Eisbären in der Sahara.«
Lindemann lachte. »Du hältst den Durchschnittsschüler für dumm?«
»Nicht unbedingt, aber du musst den Kindern mit ihren Themen kommen. Wenn ich frage, wie viele Meerschweinchen in einen Joghurtbecher passen, wüssten sie vermutlich die Antwort.«
Lindemann hatte eine Idee. »Wie wäre es denn mal mit der Frage nach den Satanisten – schwarzen Messen und so. Wenn ganz Linden drüber spricht, dürfte deinen Schülern das Thema auch nicht unbekannt sein.«
»Stimmt. Satanisten hatten wir noch nicht. Vielleicht im Religionsunterricht? Geht nicht, der Lehrplan gibt keinen Spielraum. Heimatkunde. Genau. Das ist es.«
Lindemann legte eine CD auf und die Musik streichelte beiden die Seele. Der Abend wurde lang und er war schön, weil er für den pensionierten Pastor Sebastian Sauerbier keinerlei Platz ließ.
42.
Selbst für einen Kriminalhauptkommissar war es nicht einfach, sich Zugang zum Werksgelände der Firma Cordes zu verschaffen. Sein Dienstausweis beeindruckte den Wachmann am Eingangstor wenig. In seiner Welt zählten wohl nur Dienstausweise mit dem Logo, das er am Ärmel trug. Bei Cordes war man selbst die Polizei, die Amtsträger draußen sollten sich um Falschparker und Promillefahrer kümmern.
»Chef, hier ist ein Stoll, Kriminalhauptkommissar, der will mit Ihnen reden.«
Der Wachmann öffnete plötzlich erheblich zugänglicher den Schlagbaum und zeigte auf den Verwaltungsbau. »1. Stock, Zimmer 121. Herr Peters erwartet Sie.«
Stoll hatte sich absichtlich nicht telefonisch angemeldet. Er wollte dem Chef der Schwarzen Sheriffs keine Gelegenheit geben, irgendeine Legende vorzubereiten. Andererseits kannte der Mann vermutlich seinen Text für diesen Fall, der für ihn auch nicht ganz überraschend kommen konnte.
Der Werkhof war peinlich sauber. Einige Fahrzeuge waren vor dem Verwaltungsbau geparkt. Gehobene Mittelklasse und ein größerer Daimler, registrierte Stoll. Neben dem Bau begann ein schmaler Durchgang, der zu den Fertigungshallen führte. Fahrgeräusche wie von einem schweren Lkw oder einer Raupe waren zu hören.
Am Eingang des Verwaltungsbaus wurde Stoll von einem jungen Wachmann erwartet. Er ging die Treppe voran in den 1. Stock und klopfte an der 121. Nach einem »Herein« öffnete er die Tür und ließ Stoll eintreten.
Peters thronte hinter einem massiven Schreibtisch aus teurer Eiche. Im Gegensatz zu seinen Männern trug er Zivil. Dunkler Anzug im Managerstil, Ziertuch und dezente Krawatte. Die riesige Schreibfläche beherbergte nur Geräte für die Kommunikation. Telefone, Bildschirm, PC-Tastatur. Der Chef des mächtigen Werkschutzes war mindestens 60 und schaute durch eine randlose Brille auf den Besucher. Die Ausstattung dieser Räume soll Besucher und Vorgeladene demütig machen, erinnerte sich Stoll an seine Ausbildung. Er spürte keinerlei Anzeichen von Untertänigkeit.
Man stellte sich vor und kam schließlich in einer Sitzgruppe zur Ruhe. Eine Sekretärin bot unaufgefordert Kaffee an. »Kaffee geht immer«, behauptete Peters. Stoll stimmte zu.
»Die Polizei interessiert sich für uns? Ich bin erstaunt, Herr Stoll.«
»Nehmen Sie es nicht persönlich. Ich denke, wir sollten mal einige Informationen austauschen.«
Peters nahm die Brille
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