Totenruhe
Sellner unterhielt bei der Bank ein Schließfach, von dem nicht einmal seine Frau etwas wusste, wenn man ihren Angaben glauben durfte. Der Inhalt barg eine Überraschung. 80.000 Euro Bargeld lagen da auf einem schmalen Aktendeckel, der es in sich hatte. Er trug die Aufschrift »Denkmalpflege«. Auf wenigen Blättern hatte Sellner notiert, wann er sich mit dem Egestorff-Denkmal, dem Friedensengel auf dem Bergfriedhof und der Grabstätte an der Martinskirche beschäftigt hatte. Darunter befand sich jeweils die Notiz: Buffo anrufen. Und dann eine Telefonnummer. Es war immer eine andere Handy-Nummer, obwohl jedes Mal Buffo davor stand. Buffo schien ein vorsichtiger Mensch zu sein, der seine Spur verwischen wollte. Stoll wählte die einzelnen Nummern, doch eine Verbindung kam nicht zustande.
Auf der letzten Seite stand eine Festnetznummer ohne jeden Zusatz, aber mit einem Ausrufungszeichen. Stoll wählte sie – und war mit dem Direktionsbüro des Herrn Cordes verbunden. Na gut, dachte er und ließ sich noch am Nachmittag einen Termin beim Firmenchef geben. »Wollen wir doch mal sehen, wo der Buffo singt.«
»Buffo«, wiederholte Cordes den Namen und kniff die Augen zusammen. »Waren Sie in der Oper?« »Vielleicht ist es auch nur eine Operette und die spielt hier bei Ihnen, was meinen Sie, Herr Cordes.« Stoll wähnte sich im Besitz aller Trümpfe, die das Spiel bereit hielt. Cordes tat ahnungslos – vielleicht war er es sogar. »Können Sie nicht etwas deutlicher werden, Herr Kriminalhauptkommissar?« Der nickte.
»Ich denke, Sie können mir sagen, wer in Ihrer Firma in einflussreicher Stellung Buffo heißt oder so genannt wird.« Cordes wurde nachdenklich. »Den Namen habe ich hier noch nie gehört. Wir könnten meine Sekretärin fragen.« Auch die schüttelte den Kopf. Nein, ein Herr Buffo sei ihr gänzlich unbekannt.
Cordes wollte wissen, worum es eigentlich ginge. »Denkmalpflege«, sagte Stoll und erwartete keine erkennende Reaktion. »Denkmalpflege«, Cordes dehnte den Begriff auf doppelte Länge. Wir spenden für manches im Stadtteil. Für Schulen, Kultureinrichtungen, Sportvereine und, ja manchmal auch für die Denkmalpflege. Nein, dafür sei kein Herr Buffo, sondern die Buchhaltung zuständig, denn es handele sich um Überweisungen, die von ihm persönlich getätigt würden.
»Danke, Herr Cordes. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich muss jeder Spur nachgehen. Ich finde allein hinaus.« Cordes nickte und blieb einigermaßen ratlos zurück.
Stoll ging zielstrebig ins Büro von Bert Peters. Der war freundlich unverbindlich, wie bei ihrer ersten Begegnung. »Ich würde gern mal kurz Ihre Männer kennen lernen.« Peters schien nicht überrascht. »Ist gleich Schichtwechsel, also müssten die meisten anwesend sein. Kommen Sie.« Stoll folgte Peters ins Erdgeschoss und von da in einen mit Posten gesicherten Keller.
»Renner, lassen Sie die Männer in der Turnhalle antreten. Alle die da sind. Dies ist Kriminalhauptkommissar Stoll, der hat einige Fragen. Sie haben doch Fragen, Herr Stoll?«
»Die Polizei hat immer Fragen, Herr Peters. Und manchmal auch Antworten. Sie haben doch sicher so eine Art Einsatzplan? Den würde ich gern mal ausleihen.« «Das Wachbuch. Können Sie haben.«
Das Antreten der Männer verlief wie bei einer militärischen Übung. Etwa 30 standen in Zweierreihe vor Stoll. Der schaute sich die Truppe an. Alles junge Leute, zumeist vom Typ, den man nachts nicht auf dem Bergfriedhof treffen möchte, registrierte er mit Unbehagen.
»Buffo, bitte vortreten.« Stolls Befehl kam in aller Schärfe. Die Männer stutzten sichtbar, doch keiner rührte sich. Stoll schaute auf Peters, doch der verzog keine Miene. Nach einigen Sekunden des Schweigens sprach der Polizist einen Mann in der zweiten Reihe an. »Sie kennen Buffo?« »Nein, Herr Kriminalhauptkommissar.« »Welchen Dienstgrad haben Sie?« »Wachmann, Herr Kriminalhauptkommissar.« »Und beim Bund?« »Unteroffizier, Herr …« »Ja, ich kenne meinen Dienstgrad«, schnitt ihm Stoll das Wort ab. »Rühren« befahl er dann. Und schließlich »Wegtreten«. Er wandte sich Peters zu und ging mit ihm den Weg zurück.
Der Werkschutzchef räusperte sich. »Buffo ist Einsatz-Führer der Nachtschicht. Er ist noch nicht hier. Buffo ist sein Spitzname. Der Mann heißt Burkhard Follner, Falkenstraße 74.«
Stoll blieb starr stehen und fixierte Peters. »Nanu, mit der Offenbarung hätte ich nicht gerechnet.« Peters nickte. »Ich weiß. Aber es ist eh
Weitere Kostenlose Bücher