Totenruhe
passiert mit den Cordes-Containern, wenn sie bei Ihnen gelandet sind?«
»Entweder holt die Firma Cordes sie ab oder wir bringen sie dorthin. Beides ist absolut üblich.«
»Kontrolle?«
»Nein, was sollen wir da kontrollieren? Wir unterstellen, dass man dort unten schon weiß, was man in die Container verlädt. Militär-technisches Gerät, alles topsecret.«
»Herr Major Funke, ich muss Ihnen nicht sagen, dass hier ein Transportweg existiert, der missbrauchbar ist und das auch noch unter den Fittichen einer bewaffneten staatlichen Institution.«
»Darum geht es doch, Herr Kriminalhauptkommissar. Wir decken den Missbrauch auf, wenn es ihn gibt. Unsere Feldjäger haben auf der Suche nach Marketender-Schnaps viel interessantere Drogen entdeckt. Eine Ladung dürfte morgen 9.25 Uhr Ortszeit bei uns eintreffen. Pflichtgemäß haben wir auch das BKA informiert.«
Stoll konnte den Morgen kaum erwarten und fieberte der Ortszeit 9.25 entgegen. Die Transportmaschine verspätete sich um eine halbe Stunde, was dem Nervenkostüm des Polizisten schlecht bekam.
Am Flug-Stützpunkt Evershorst ging es zu, als würde eine neue Folge »Tatort« gedreht. Einsatzfahrzeuge der Polizei blockierten einen kompletten Parkplatz. Feldjäger versuchten krampfhaft deutlich zu machen, wer hier Herr im Hause war. Polizeihauptkommissar Stoll schritt mit Major Funke und einem Zivilbeamten des Bundeskriminalamtes den Parcour ab. Zehn Container waren von Soldaten aussortiert und standen unter scharfer Bewachung von Polizeibeamten. Neben ihnen türmten sich Ballen, die in Ölpapier verpackt und mit Kunststoffbindern gesichert waren. Stoll schien zufrieden. »Das sind grob gerechnet 200 Kilo. Eine so große Menge hatten wir noch nie. Was sage ich, die größte Menge bisher passte in eine Aktentasche.« Der BKA-Mann nickte. »Die Menge macht viele Leute nervös. Immerhin geht es hier um einen Millionenwert, beziehungsweise Millionenverlust. Für uns ist aber noch viel wichtiger, dass wir endlich mal wieder eine bedeutende Verkehrsader trocken gelegt haben. Herr Hauptkommissar, das ist ein Glanzstück polizeilicher Ermittlungsarbeit. Man wird höheren Ortes sehr zufrieden mit Ihnen sein.«
Stoll dachte, dass er über Lobeshymnen längst erhaben sei, aber er spürte doch, dass ihm ein Gefühl des Stolzes über den Nacken ins Gehirn kroch. Das BKA lobte seine Arbeit. Das geschah einem Polizisten höchst selten, Stoll war es überhaupt noch nie passiert.
41.
Lindemann war dabei, den Überblick zu verlieren. Was da alles im Kiez lief, wer mit wem in welchen Querverbindungen agierte, das sprengte die konventionelle Welt, die bisher sein Dasein prägte. Nur Monika blieb die Alte, und das war doch auch schon etwas. Der Mensch braucht im Leben stabile Eckpfeiler, damit er nicht in der Flut neuer Ereignisse untergeht. Ein Candlelight-Dinner hatte Lindemann sich und der Seinen verordnet, natürlich daheim, wo es am Schönsten ist und wo niemand nach dem Raucherabteil fragt oder gar vor die Tür geschickt wird.
Als Lindemann seine Wohnung bezog, beschloss er unverzüglich Spielregeln, wie mit der Immobilie umzugehen sei. Besonderes Augenmerk legte er auf geselliges Beisammensein, denn er war ein gastlicher Mensch.
»In meiner Wohnung darf geraucht werden, für angemessene Lüftung wird gesorgt«, verkündete er. »Den Nichtrauchern steht ein Balkon zur Verfügung. Allerdings wird dort aus Sicherheitsgründen nur Mineralwasser ausgeschenkt.«
Filetsteaks hatte er gebraten und in einer vorgefertigten Soße gewälzt. Der Rotwein war aus Bordeaux und kostete glatte zehn Euro. Lindemann war kein Hobbykoch, aber einige kulinarische Grunderfahrungen gehörten für ihn zwingend zur Allgemeinbildung.
Ansonsten war er für die nächsten Stunden konsequent aus der Kommunikationsgesellschaft ausgestiegen, Festnetz und Handy waren stillgelegt. Die Schutzmaßnahme richtete sich eigentlich einzig und allein gegen Pastor Sauerbier, dessen Attacken erfahrungsgemäß unberechenbar waren und zumeist mit einem Ritt durch die Gemeinde endeten.
Monika war voll des Lobes über das delikate Essen und hatte ansonsten einiges, was Sauerbier nicht hatte. Sauerbier – warum musste er auch jetzt noch dauernd an den Pastor denken?
»Ich war beim Friseur«, berichtete sie und schaute durch den funkelnden Wein auf Lindemann. »Die Aufderheide hat kein anderes Thema mehr als Satanismus. Ihr Mann hat die Schwarzvermummten schon wieder auf dem Friedhof gesehen, sagt sie. Ich
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