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Totenruhe

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jörg Hennecke
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Obrigkeitsstaat des Königreichs Hannover, das 1866 sang- und klanglos unterging und von den Preußen zu ihrer Provinz gemacht wurde.
    Arbeit bringt Segen. Freude, Ehre, Brot.
    Die Arbeiter zeigten eine genormte Miene, es musste seinerzeit wohl sauer verdientes Brot gewesen sein. Außer dem Porträt des Johann Egestorff war auf der anderen Seite des Steins noch eine runde Bronzeplatte eingelassen. Sie zeigte einen Bienenkorb, Bienen und die Parole: »Einigkeit macht stark.« Die Einigkeit eines Bienenvolkes in emsiger Arbeit, wo sich alles um eine Königin drehte? Ein Kunstwerk, ein Stück Lindener Geschichte. Dass sich ein Steinmetz dafür interessierte, bedurfte keiner Erklärung. Aber was konnten die Männer des Cordes-Werkschutzes mit dem Stein anfangen?
    Schauen wir uns den Stein genauer an, beschloss Stoll. War das ein Steinblock oder war der Egestorff-Stein hohl? Eine Aussicht, die den Ermittler beflügelte. Der Stein muss hohl sein, beschloss Stoll, sonst wäre er für die undurchsichtigen Aktivitäten der Werkschützer kein Objekt der Begierde. Vielleicht konnte durch eine verborgene Mechanik der Stein geöffnet werden. Die Technik kannten schon die alten Ägypter, als sie mächtige Pyramiden errichteten.
    Stoll stellte sich den Lieferwagen des Steinmetzes Sellner vor, der mit großer Firmenaufschrift direkt am Denkmal parkte. Das Umfeld war fast immer menschenleer. Ladefläche geöffnet, eine Leiter womöglich an den Stein gelehnt und dann irgendetwas entnommen oder hineingelegt. Auch ein aufmerksamer Beobachter konnte da keinerlei Verdacht schöpfen.
    Stoll ging zurück zu seinem Auto. Warum sollte er seine Kraft und seine Intelligenz an dem spröden Stein vertun? Das war eine Aufgabe für den Technischen Dienst. Allerdings interessierte ihn die künstlerische Darstellung und die beabsichtigte Wirkung des Denkmals und so vertraute er sich dem Internet an. Stoll pfiff spontan vor sich hin, als er las, was er sah. Das Egestorff-Denkmal, geschaffen vom Lindener Bildhauer und Kunstprofessor Georg Herting im Jahre 1935. Also keine Schöpfung des preußischen Obrigkeitsstaats, sondern zur Zeit der NS-Diktatur entstanden.
    Es wurde Zeit, mal Kontakt zum Chef des Werkschutzes der Firma Cordes aufnehmen. Jetzt führt der Weg in vermintes Gelände, vermutete er, und das befriedigte ihn gleichzeitig auf merkwürdige Weise. Eigentlich war er deshalb Polizist geworden.
     

39.
     
    »Bei der Polizei wird nur noch über Drogen gesprochen. Illegale Drogen, illegal eingeführt und vor unseren Augen verbreitet. Lindemann, wohin geht unser Land?
    »Vor unseren Augen«, wiederholte der und Sauerbier wusste nicht, ob das eine Frage sein sollte.
    »Und auf unserem Friedhof«, klagte der Pastor. »Wir reißen uns was auf, um die Traditionsstätte zu bewahren, und andere machen daraus Sodom und Gomhorra. Was halten Sie eigentlich vom Lehrer Zumdick?«
    »Ralf Zumdick? Nun, ein typischer Bewohner des Elfenbeinturms. Wenn man dem etwas sagt, glaubt man postwendend eine Note zu bekommen. Sicherlich keine gute. Also, das ist der Eindruck, den er mir vermittelt. Vielleicht ist er auch ein reizender Kumpel, der nur noch nicht den richtigen Stammtisch gefunden hat.«
    Sauerbier nickte nervös. »Erinnern Sie sich, dass ich wegen der germanischen Runen einen alten Kollegen vom Landeskirchenamt fragte? Zumdick weiß darüber genau so viel. Warum hat der uns nicht informiert?«
    Lindemann lachte. »Vermutlich, weil Sie ihn nicht gefragt haben.«
    »Der Polizei hat er sich aber als Informant zur Verfügung gestellt. Zumdick ist ein Schlitzohr. Der wollte sich bei der Polizei lieb Kind machen, wahrscheinlich hat er es nötig.«
    »Ich verstehe Ihre Aufregung nicht.«
    »Zumdick hat ein geschlossenes Bild von den Vorgängen auf dem Friedhof. Das hat er der Polizei vorgetragen. Warum nicht uns? Warum hört man von dem Kerl kein Wort in der Bürgerinitiative?«
    Lindemann wurde es langsam zu viel. »Lieber Pastor, das Thema stand bei uns in der Bürgerinitiative bisher nicht auf der Tagesordnung. Was hacken Sie denn so intensiv auf dem Zumdick rum?«
    Sauerbiers Miene verklärte sich. Geheimnisvoll raunte er: »Zumdick ist Atheist!« Lindemann verstand nicht. »Was ist Zumdick?«
    Der Pastor formte das Wort mit den Lippen: »Atheist.«
    »Ach nee. Ist das was Besonderes? Ist das nicht die Hälfte unserer hiesigen Mitmenschen?«
    »Zumdick steht ganz offensichtlich auf schwarze Messen. Wenn der dahinter steckt und das Ganze nur eine Show ist,

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