Totenruhe
ab und putzte sie umständlich. »Sie haben Informationen für mich? Gibt es an unserem Schutz für den Cordes-Betrieb etwas auszusetzen?«
Stoll schüttelte den Kopf. »Mir geht es nicht um den Betrieb.«
»Das freut mich zu hören. Der Betrieb ist unser größtes Betätigungsfeld.«
Stoll holte sein Notizbuch hervor. »Können Sie sich vorstellen, dass Männer Ihres Dienstes mit schwarzen Messen dem Satan dienen? Und zwar in der Kapelle auf dem Lindener Bergfriedhof? Dass sie sich für Kunstwerke im Stadtteil interessieren?«
Stoll schaute Peters in die Augen und konnte keinerlei Reaktion erkennen.
»Lieber Herr Stoll, ich kann mir vorstellen, dass Männer meines Dienstes ihre Frauen betrügen, die Bundestagswahlen boykottieren und am Heiligabend sturzbetrunken ihren Tannenbaum umreißen. Aber das interessiert mich nicht. Das ist deren Privatsache. Hier zählt nur die Arbeit bei Cordes. Und da habe ich andere Probleme.«
»Und zwar?«
»Wenn Sie es unbedingt wissen wollen und ich bei der Polizei von unbedingter Diskretion ausgehen darf …« Stoll nickte heftig.
»Sehen Sie, unser Vertrag hier mit Cordes läuft am 31. Dezember aus. Auf einen neuen haben wir uns noch nicht einigen können, obwohl es weder nennenswerte Meinungsverschiedenheiten noch Streitigkeiten gibt. Natürlich hat unsere Firma auch andere Aufträge, aber Cordes ist besonders wichtig, arbeiten wir hier doch mit dem Wohlwollen des MAD.«
Stoll nickte. Natürlich kannte er den Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr, kurz MAD genannt.
»Fragen Sie mich bitte nicht nach Details unserer Vertragsprobleme.«
Peters schaute Stoll an und wartete auf die nächste Frage.
»Was sind Ihre Männer? Kämpfer, Werkspolizisten? Trauen Sie ihnen auch einen Mord zu?«
»Mein lieber Herr Stoll, das sind Männer wie Sie und ich. Vielleicht ein bisschen feuriger, weil sie jünger sind. Sehen Sie, wir morden doch nur in unseren Träumen, sind Freiheitskämpfer nach Festreden an gesetzlichen Feiertagen oder dem fünften Liter Bier. Unsere kriminelle Energie hält sich in Grenzen. Wir stehlen höchstens mal fremde Ideen und begehren des Nachbarn Weib.«
Peters machte eine Pause, als müsse er nachdenken. Stoll nutzte die Chance.
»Der Steinmetz Fritz Sellner wurde am Sonntag in seiner Werkstatt von einer Grabplatte erschlagen. Man hat zwei Männer von Ihnen dort gesehen.«
Peters schaute ungnädig. »Ich habe hier 48 Mann, die arbeiten in drei Schichten, also rund um die Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen. Wer Freizeit hat, ist außerhalb des Betriebs unterwegs. Also: Welche Männer von uns waren das?«
»Das weiß ich eben nicht.«
»Soll ich jetzt alle 48 aufmarschieren lassen?«
»Das würde nichts bringen.«
»Was tun wir also?«
Stoll wurde ungehalten. »Sie ermitteln mal in ihren eigenen Reihen. Wenn dabei nichts heraus kommt, werden wir aktiv. Dann ist es mit der Diskretion allerdings vorbei, Herr Peters.«
Stoll verabschiedete sich und wusste, dass man ihn auch mit psychologischer Raumgestaltung nicht einschüchtern konnte. Jetzt brennt die Lunte, mal sehen, wo es knallt, dachte er und fühlte sich nicht unzufrieden.
43.
»Am Anfang war das Wort und nicht die Parole. Werbung hatte bei der Schlange im Garten Eden noch mit der Verheißung von Erkenntnis zu tun. Das ging bekanntlich schief. Den Pharisäern sei allerdings gesagt, dass wir sündigen Menschen das Paradies nicht des Trinkens wegen, sondern des Essens wegen verloren. Achtung, Calvados-Freunde: Ob es ein Apfel war, ist nicht gesichert!«
Pastor Sauerbier war voll in seinem Element und genoss sogar die Aufmerksamkeit eines Dutzends amüsierter Zuhörer. Lindemann störte den Freund nur ungern, aber ein dringender Anruf von Robert Humdorf hatte ihn aufgeschreckt und so war er in den Turmgarten geeilt. Im Sommer Turmgarten, ansonsten Stern oder Lorberg, das gehörte zum Katechismus des Pastors. »Und wenn ich da nicht bin, dann in der Gaststätte ›Zum freilaufenden Brat-Ei‹«, das ist der Vorhof der Hölle, hatte er mal verkündet. Da war er aber schon hinreichend abgefüllt.
Sauerbier folgte Lindemann nicht ungern, hatte er sein Pulver doch vorerst verschossen und so fehlte nur ein Gläschen Calvados als Gotteslohn.
»An der Kapelle hängt ein Spruchband. Wir sollten es uns anschauen.«
Der Pastor hielt mühsam Schritt. Als sie die Kapelle erreichten, standen da schon einige ältere Damen. »Ist das nicht unerhört, Herr Pastor?« Eine andere ergänzte
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