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Totenruhe

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jörg Hennecke
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glaubensstark: »Außerdem stimmt das nicht.« Sauerbier und Lindemann lasen auf einem weißen Tuch über dem Kapellentor: »Gott ist tot.« Daneben war das unsägliche Nauthiz-Kreuz gemalt.
    »Nietzsche«, keuchte Sauerbier. »Den sollte man anzeigen«, schlug Oma Kasten vor, die natürlich auch dabei war. »Zu spät«, resignierte der Pastor und zog Lindemann beiseite. »Ich brauche jetzt erst einmal eine Bank.«
    Lindemann hatte die Szene aufmerksam beobachtet. »Der Spruch stammt von Nietzsche?« »Richtig«, bestätigte Sauerbier. »Was wissen Sie sonst über Nietzsche?«
    Lindemann zuckte mit den Schultern. »Ist der nicht im Wahnsinn gestorben? Mehr sagt mir der nicht.« Sauerbier schüttelte den Kopf. »Da hat sich die Schule an Ihnen versündigt.« »Es war nur eine Volksschule, man nennt das heute wohl Hauptschule. Seien Sie als studierter Mann nachsichtig.«
    »Nietzsche meinte, Gott sei widerlegt, der Teufel nicht. Passt das nicht ideal zu den Satanisten? Zumdick, ich sage Ihnen Zumdick. Der ist Lehrer, der kennt seinen Nietzsche. Und Zumdick ist auch Gottesleugner. Wir müssen den Mann beobachten und überführen. Damit endlich Schluss ist mit dem Satanisten-Spuk.« Doch dieser Schluss bahnte sich ganz anders an, als Sauerbier vermutete. Denn am nächsten Tag erschien der Lindenkurier mit einem Artikel auf Seite 2, dessen Überschrift provozierte: »Leben wir im Gottesstaat?« Grundtenor des Artikels war, dass die Kirche sich den Bergfriedhof nicht zur Beute machen dürfe. Der Lehrer Ralf Zumdick wurde dort mit der Aussage zitiert, das Verfassungsrecht auf Religionsfreiheit müsse auch im täglichen Leben verwirklicht werden.
    Was er von den Satanisten halte, wollte die Zeitung wissen. Da kam es knüppeldick, Sauerbier verschlug es die Sprache, vor Empörung beschlug seine Brille. Zumdick gab offen zu, satanische Messen in der Kapelle veranstaltet zu haben. Man habe sich den Schlüssel ganz offiziell beim Friedhofsamt ausgeliehen. Die Begründung »Abhaltung einer Andacht« habe jeweils ausgereicht. Er als Lehrer sei zudem eine vertrauenswürdige Person. Im Übrigen dürfe man hierzulande auch an den Satan glauben, das tue sogar die Bibel. Die Aktionen seien als Demonstration für Glaubensfreiheit zu verstehen. Und das Nauthiz-Kreuz? Ja, das sei das Zeichen seiner Gruppe. Es sei wohl vor allem bei Jugendlichen besonders beliebt, denn die würden es als Graffiti überall malen, sogar an einige Grabsteine. Davon distanziere er sich selbstverständlich.
    »Dafür wirst du in der Hölle schmoren, Zumdick«, raunte der Pastor, dem vor Wut die Finger zitterten. »Ewig währt am längsten!«
    Er rannte los. Das musste mit Lindemann besprochen werden.
    Lindemann saß mit Monika am PC, als Sauerbier eintraf. Er fuchtelte mit der Zeitung. Lindemann hielt sein Exemplar dagegen, um zu zeigen, dass er bereits informiert war.
    »Da haben Sie die Wiedergeburt Nietzsches. Auch dieser Satan wird im Wahnsinn enden. Nein, er ist schon mittendrin.«
    Lindemann verteilte eiskalte Bierflaschen, um die Gemüter zu beruhigen.
    Monika schaltete sich ein. »Ich habe mit meinen Schülern über die Satanisten gesprochen. Sie werden staunen: Die wussten so ziemlich alle Bescheid. Mehrere haben schon mal schwarze Gestalten gesehen. Sie waren sich aber nicht sicher, ob das Satanisten oder Werkschutzleute von Cordes waren.« »Kann man nicht auch beides sein«, fragte Lindemann, aber niemand hörte zu.
    »Das Nauthiz-Kreuz ist sehr beliebt. Bei uns in der Schule finden sie es bestimmt hundertmal. Ein echter Hit. Statt des Christus-Kreuzes wird es wohl demnächst von Jugendlichen am Hals getragen. Wieder ein Fell, das der Amtskirche davonschwimmt, Herr Pastor.«
    »Die Amtskirche, ha«, höhnte der, »die ist längst eine Boje im Schwimmbad.«
     

44.
     
    Stoll räkelte sich zufrieden an seinem Schreibtisch und schob Notizzettel in immer neue Reihenfolgen. Der Technische Dienst hatte ihm erklärt, das Egestorff-Denkmal sei ein richtiger Tresor. Den habe man offensichtlich schon 1935 beim Bau des Gedenksteins eingerichtet. Über die Plakette mit dem Kopf des Firmengründers gelangte man in das Innerste, Besitz eines Sicherheitsschlüssels vorausgesetzt. Der TD hatte sich mit eigener Methode Zugang verschafft, aber den Tresor leer vorgefunden. Egal, für Stoll war das Sieg Nummer 1.
    Der nächste Notizzettel trug den Namen Fritz Sellner. Bei der Überprüfung seines Nachlasses hatte die Polizei eine erstaunliche Entdeckung gemacht.

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