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Totenruhe

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jörg Hennecke
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Cognacflasche dazu. Stilechte Cognacschwenker wurden von Humdorf gereicht.
    Simone Witte hatte ihre Recherchen abgeschlossen. »Bevor nur noch die Rauschgift-Hysterie grassiert, wollen wir noch einmal zurück zu den Wurzeln. Alles begann mit Karl Preul. Wir wissen jetzt, wie der Stein ins Rollen kam. Ich danke Robert Humdorf für seinen entscheidenden Beitrag. Für einen Film reicht es, aber wer sollte mir den abkaufen?« Sauerbier breitete beide Arme aus und lächelte die Frau an. »Informieren Sie uns, wir sind dankbare Zuhörer.« Sauerbier und Lindemann schauten erwartungsvoll.
    »Ich darf Sie zurückversetzen in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Preul war im April 1945 15 Jahre alt und damit ein Jahr zu jung für den Volkssturm. In Berlin und im Osten hätten sie ihn als Freiwilligen gern genommen, aber in Hannover regierten auch in der Stunde des Zusammenbruchs die Bürokraten. Preul war damals Lehrling bei Cordes. Der alte Cordes baute völlig zu Unrecht auf die Naivität des Jungen und machte sich kurz vorm Einmarsch der Alliierten mit ihm daran, Wertsachen zu verstecken. Es wird sich um mehrere Verstecke gehandelt haben, nicht nur um eins. Sicher ist nicht einmal, ob die auf dem Bergfriedhof waren, es ist aber naheliegend. Zusätzlich könnte er auch das Egestorff-Denkmal genutzt haben, vielleicht ohne jeden Zeugen. Dem Preul gefiel das Bild von Franz Marc, er war eben kunstsinnig. Der Gedanke, so etwas Schönes in einem feuchten Verlies zu deponieren, stieß ihn ab. Und so rettete er das Bild, indem er es in persönliche Verwahrung nahm. Cordes hat das wohl nicht mitbekommen und auch nie wieder danach gefragt. Und das aus gutem Grund. Er hatte das Bild 1938 weit unter Wert von einer jüdischen Familie gekauft, die unter dem Druck der Nazis nach Amerika auswanderte. Von der Familie gibt es keine Spuren und keine bekannten Erben. Im Übrigen war es ein formal rechtmäßiger Verkauf. Immerhin hat Cordes damals 10.000 Reichsmark bezahlt, für die Besitzer sicher eine enorme Summe bei ihrer erzwungenen Auswanderung. Sie hätten ansonsten damit rechnen müssen, dass staatliche Behörden das Bild entschädigungslos beschlagnahmten.
    Preul durfte nach all den Jahren von einer Schenkung ausgehen, mindestens nachdem Cordes verstarb und auch dessen Erben keine Ansprüche geltend machten. Vielleicht wussten die nichts von diesem Bild. Zudem wollten sie bestimmt nicht an der Geschichte von den vergrabenen Schätzen und der Nazi-Vergangenheit des Großvaters rühren. Preul hatte das Bild offen in seiner Wohnung hängen, keiner seiner Besucher kam je darauf, dass es sich um ein Original handeln könnte. Ausgenommen einer: Robert Humdorf. Der kannte Preul wie kein anderer und hat den armen Poeten mit einer tollen literarischen Story geehrt, die Sie kennen und die natürlich zur Hälfte frei erfunden ist. Aber ich denke, sie wird Karl Preul gerade deshalb gerecht. Unser Robert hatte sich darauf spezialisiert, wertvolle Kunst preisgünstig für seinen Freund, den Kunsthändler Alder zu erjagen. Er hat Preul gefragt, wie viel er für das Bild haben wolle. Doch der lehnte ab. Bis Preul von seiner Tochter in Stuttgart hörte, die an einer heimtückischen Krankheit litt und 15.000 Euro für eine Operation brauchte. Preul war kein gewiefter Geschäftsmann, aber jetzt verkaufte er an Robert Humdorf für 15.000 Euro. Das war natürlich weit unter Wert, lieber Humdorf.«
    »Preul wollte exakt 15.000, sollte ich ihn nach oben handeln?«
    »Jedenfalls sind Sie unserer Stadtteil-Stiftung noch eine deftige Spende schuldig.« Humdorf nickte lächelnd, und die Witte fuhr fort.
    »Das Geld hat er sofort nach Stuttgart weitergeleitet, aber es kam zu spät. Die Tochter war bereits verstorben. Die 15.000 Euro waren nur noch für eine würdige Bestattung gut.
    Jetzt kommt der Friseur Aufderheide ins Spiel. Der hatte Preul mal wieder Quartier gewährt, nachdem er seine Wohnung wegen längerer Mietrückstände verloren hatte. Er wusste vom Bild und seinem Wert. Gern hätte er es zu Geld gemacht, aber Preul lehnte immer wieder ab. Der sagte ihm auch später nichts über den Verkauf an Humdorf. Also durfte Aufderheide davon ausgehen, das Bild im Besitz von Karl Preul zu finden. Der schleppte seine gesamte Habe in einem Koffer herum und der stand nun bei Aufderheide in der Abstellkammer. Ein teures Bild im Koffer? Vielleicht eingerollt? Undenkbar. Preul achtete Kunst und würde nie ein Kunstwerk möglicher Beschädigung aussetzen. Im Banktresor

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