Totenruhe
Öffnen da, das müssten Sie eigentlich wissen.« »Solange Sie noch an Engel glauben, bin ich zufrieden.«
Sauerbier versuchte verschiedene Klingen, setzte sie an Kanten und Ecken der Figur an, erfolglos. Im Eifer hatten die Männer nicht bemerkt, dass sie von zwei Polizisten beobachtet wurden. Sauerbier erschrak.
»Nanu, wie kommen Sie hierher?« Er kannte die Beamten nicht. »Fragen wir mal andersrum«, erwiderte einer. »Was suchen Sie da?« »Rauschgift«, erklärte Sauerbier ohne nachzudenken. »Und? Schon was gefunden?«
Sauerbier schüttelte den Kopf und kratzte unverdrossen weiter am Engel. »Wie viel erwarten Sie denn?« »Schwere Pakete, viele Kilo«, bekannte Sauerbier.
»Kommen Sie da mal raus. Das ist interessant, darüber sollten wir uns in der Polizeiinspektion unterhalten. Da steht heute sowieso das Thema Rauschgift auf Platz 1.«
»Keine Zeit«, brummte Sauerbier unwillig. Der wortführende Polizist wirkte amüsiert. »Die Zeit werden Sie sich nehmen müssen. Sie sind verhaftet.«
Sauerbier überlegte, ob das alles ein schlechter Traum sei. Denn am Friedhofseingang stand eine Fee. Sie hielt kein Transparent, trug aber eindeutig die Uniform der Heilsarmee. Um die Ecke des Turmgartens verschwand gleichzeitig mit hohem Tempo ein Auto. Es war knallrot und Lindemann wusste, dass es kein Volkswagen war.
Die Polizisten führten die Männer nicht etwa zu einem Verhör, wo sich blitzschnell ihre Unschuld, ja ihre Lauterkeit herausgestellt hätte, sie wurden handfest in eine Arrestzelle abgeschoben. Sauerbier verlangte unverzüglich, mit Kriminalhauptkommissar Stoll zu sprechen. Man bedauerte, der sei gerade voll vom BKA in Beschlag genommen. Dann eben der Stellvertretende Polizeipräsident, polterte Sauerbier. Dessen Telefonnummer kenne man nicht, aber wenn Pastor Sauerbier mit dem Bundespräsidenten vorlieb nehmen möchte?
»Die Kerle verhöhnen mich, Lindemann. Ich habe Anspruch auf einen Rechtsanwalt.«
»Geben Sie Ruhe, wir sind unschuldig, haben nichts zu befürchten. Immerhin: Unsere Aktion am Engel konnte durchaus Verdacht erregen.«
»Bei zwei inkompetenten Polizisten, die ich noch nie in Linden gesehen habe. Schluss mit der Posse.« Er rüttelte am Gitter, aber niemand reagierte. Um 18 Uhr wurde ein spartanisches Abendessen serviert. »Ich will nicht essen, ich will hier raus«, meckerte Sauerbier. Lindemann fügte sich in sein Schicksal. »Ein Missverständnis«, kommentierte er leidenschaftslos. »Hoffentlich erfährt mein Amtsleiter nichts davon.«
»Denken Sie an meine Geschichte vom Ersten Weltkrieg. Wir sehen alles scheinbar genau und doch stimmt das Bild nicht. Unsere Augen sind nicht gut.« Das erheiterte Lindemann trotz der misslichen Lage ein wenig. »Deshalb tragen Sie doch Brille.« »Lieber Lindemann, auch durch meine Brille läuft jede Allee an ihrem Ende zusammen und der Horizont berührt immer in der Ferne das Meer. Das ist bei mir so und das ist bei Ihnen so. Trotzdem stimmt es nicht.« Und wenn man dann noch am grünen Star leidet, wird man möglicherweise eines Tages blind – das Ende aller Sichtweisen.
Stoll war längst von der Festnahme informiert worden. Er gluckste vor Genugtuung. »Das sind die beiden, die den Erfolg unserer großen Aktion hätten verhindern können. Ich kenne die aus bitterer Erfahrung. Wir behalten sie 24 Stunden in Haft, dann können sie keinen Schaden mehr anrichten. Vielleicht bieten wir Ihnen dann ein Bonbon am Rande unserer Aktion, das streichelt die kriminalpsychologischen Neigungen des verrückten Pastors. Also: Ich bin bis zum Abschluss der Aktion nicht erreichbar.«
47.
Buffo packte aus, dass es für das BKA eine reine Freude war. Auch Stoll bekam noch überraschende Informationen. Wenn Buffo die Wahrheit sagte, hatte alles mit dem Versuch einer raffinierten Werkspionage begonnen. Vor einem Jahr sei ein Agent der US-Firma Secret & Secret bei Cordes eingeschleust worden. Der habe geheime Konstruktionspläne für eine neue Generation von unbemannten Straßenbaumaschinen für militärische Einsätze in seinen Besitz bringen wollen. Der Cordes-Werkschutz habe den Mann enttarnt. Um sich freizukaufen, bot der ein Geschäft an. Seine Firma sei mit Sicherheitsaufgaben für die US-Truppen in Afghanistan betraut. In der Praxis turnen US-Sicherheitsfirmen am Rande des Kriegsschauplatzes rum und spielen Wild-West. Diese Amis haben die Oberhoheit, bestimmen alles, wer wo bombardiert wird und wer nicht. Den Opiumanbau haben sie als
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