Totenruhe
gesichert? Das wäre nicht Preuls Art. Es müsste ein privater Ort sein, ein Ort, dem Preul vertraute wie dem Hüter dieser Stätte. Aufderheide war immer hinter einem schnellen Euro her, das dürfte selbst Preul nicht übersehen haben. Sellner? Der war als Steinmetz selbst Künstler. Der hätte Respekt vor einem Franz Marc. Genau dort deponierte Preul das Bild. Wie konnte er Sellner nun erklären, dass er das Bild verkaufen würde? Hätte der in diesem Falle nicht auf den tatsächlichen Wert hingewiesen und möglicherweise beim Verkauf vermittelt? Wieso schuf er für den ›armen‹ Preul nach dessen Ableben kostenfrei ein Grabmal?«
Der Pastor nickte. »So kann es also nicht gewesen sein. Logik, meine Damen und Herren, man verlangt von uns Logik!«
Lindemann war verunsichert. »Preul verkauft das Bild für 15.000. Danach ist er tatsächlich bitter arm. Aber doch wohl durch eigene Dummheit. Das würde Sellner nicht fördern. Ich kannte den Mann, der stand mit beiden Beinen im Leben.«
Die Witte triumphierte still. Sie genoss die Situation.
»Es gibt eine logische Erklärung. Die hat zudem den Vorzug, dass sie den Tatsachen entspricht. Sellner hat es kurz vor seinem Tod bestätigt. Also, Preul erzählt Sellner von seiner schwer kranken Tochter in Stuttgart. Und dass er für die Operation viel Geld braucht. Er wolle deshalb das Bild für seine Tochter einsetzen. Und das tat Preul ja auch. Allerdings hatte er Preul anders interpretiert. Er glaubte, der würde das Bild nach Stuttgart schicken, damit seine Tochter es vermarkten könnte. Die war Innenarchitektin und Sellner dachte, der Frau muss man nichts über den Wert eines Franz Marc und dessen Vermarktungschancen erzählen. Also besorgte er eine stabile Rolle und übergab Preul das Bild, der sich gleichzeitig verabschiedete. Das war nicht ungewöhnlich. Preul wechselte sein Quartier häufig, weil er niemandem zur Last fallen wollte. Sein letztes Quartier war bei Aufderheide. Der verabreichte Preul die Schnapsration und brachte ihn zum Friedhof. ›Wir müssen mal an die frische Luft‹, wird er dem angetrunkenen Mann gesagt haben. Schnapsselig dürfte dem das gefallen haben. Und dann hat er die Bühnenszene an der Kapelle gestaltet. Preuls Bündel am Eingangsgitter, die Schnapsflasche von allen Fingerabdrücken gereinigt. Und Preul, der vermutlich tief schlief, abgelegt wie eine Mülltüte. Den Rest hat der bitterkalte Winter besorgt.«
Als Zumdick mit seiner Satanistenmasche begann, passte das vielen aus persönlichen Gründen in den Kram, weil es als Ablenkungsmanöver ungeheuer nützlich war. Zumdick kannte den Chef des Werkschutzes, die machten schon mal bei einer Aktion mit. Allerdings nicht aus Sympathie zu Zumdick, wie der glaubte, sondern weil das Gerede über die Satanisten auf dem Friedhof von ihren illegalen Importgeschäften ablenkte. Aufderheide wiederum entdeckte beim Herumschnüffeln Zumdick und stieg sofort bei dessen schwarzen Messen ein. Preul sollte so als Opfer von Satanisten erscheinen.
»Aufderheide ist ein Mörder«, empörte sich Lindemann.
»Nein«, widersprach die Witte, »juristisch ist das Totschlag, aber das wiegt moralisch nicht weniger schwer.«
»Aufderheide ist jedenfalls ein Verbrecher«. Sauerbier schüttelte sich. Er würde den Mann aus der Bürgerinitiative ausschließen lassen. Aber das war vielleicht gar nicht mehr wichtig.
»Die Kleinen werden also gehängt und die Großen lässt man mal wieder laufen?« Lindemann redete sich in Wut. »Wir reden über Satanisten und dabei wird hier in großem Stil mit Rauschgift gehandelt. Wer ist da der große Boss? Bleibt das jetzt alles am Werkschutz hängen?«
Sauerbier lächelte ahnungsvoll. »Lieber Lindemann, fragen Sie doch einfach mich. Nicht umsonst arbeite ich im Kriminalpsychologischen Dienst der Polizei. Also, unser Freund Humdorf scheidet nun doch wohl aus, obwohl er sich durch eigenes Verschulden immer wieder verdächtig machte. Man klopft ja auch nicht so einfach an einem Engel auf dem Friedhof herum, um festzustellen, ob er hohl und als Versteck geeignet ist. Und die Angst der ›Lindener Freunde‹, ausgedrückt durch einen Steinwurf, bezog sich auf mögliche Veröffentlichungen, wo eben mancher manches befürchtete. Humdorf ist raus. Wer ist es also dann?«
»Nun spannen Sie uns nicht auf die Folter, unsere Nerven liegen nach allem doch hinreichend blank«, bemerkte Lindemann.
»Also: Ewald Cordes, wer sonst? Wir sollten uns jetzt dringend mit unserem Freund
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