Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Titel: Totenruhe - Bleikammer - Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
gelungen, sie hinauszuschmuggeln. Sie nicht in den Krater von Runit zu werfen, sondern sie für sich zu behalten.
    Wie sie nach Japan gekommen waren, wusste ich nicht. Einer der Eigentümer von Mitsugai musste sie erworben haben. Der Firmenname ließ darauf schließen, dass er das Unternehmen erst danach gegründet hatte. Warum Muscheln? Warum radioaktive Muscheln?
    Unwillkürlich nahm ich sie in die Hand, befühlte sie, tat, was ich eigentlich nicht tun durfte. Aber ich war schon so weit gegangen, ich wollte jetzt auch das allerletzte der vielen Rätsel lösen.
    Während ich die Muscheln befühlte, fiel mir etwas ein, was ich vor Jahren einmal in einer Zeitschrift gelesen hatte: In vielen Kulturen der Erde hatte man früher Muschelgeld besessen. Auf manchen Inseln der Südsee war die Muschelwährung sogar bis heute noch in Gebrauch, teils für rituelle Zwecke, teils als tatsächliches Zahlungsmittel.
    Das Loch in der Mitte bewies, dass diese Muscheln als Geld verwendet worden waren, denn man hatte sie gewöhnlich auf Schnüre aufgefädelt. Diese Währung war verstrahlt worden, und einer der Säuberungsarbeiter hatte drei der Muscheln als Souvenir mit nach Hause genommen. Bestimmt sollten sie ihm als Glücksbringer dienen, vielleicht sogar seine Finanzen ankurbeln. Radioaktives Geld – ein origineller Gedanke.
    Höchstwahrscheinlich war der Mann heute tot.
    Und ich? Würde ich auch sterben?
    Seit Minuten hielt ich die Muscheln in der Hand, so wie es gewiss meine Vorgänger in diesem Amt auch getan hatten, fasziniert und wie gelähmt von ihrer unglaublichen Entdeckung.
    Die Atomversuche auf den Marshall-Inseln hatten kein urzeitliches Ungeheuer hervorgebracht, aber dafür eine ganz andere Art von Monstrum.
    Monster-Geld.
    Eine Währung, die mutierte und zu wuchern begann. Drei unscheinbare kleine Muscheln, denen das Plutonium die Macht gegeben hatte, Geld in ungeheuerlichen Mengen anzuziehen, ein Monstrum von einer Firma zu schaffen, das unbesiegbar war, das nur florieren und Geld anhäufen konnte, was immer die Mitarbeiter auch taten.
    Solange diese drei Muscheln im Besitz von Mitsugai waren, würde die Firma niemals untergehen. Sie würde vermutlich sogar Bomben überstehen, wie Gojira im Film die Militärattacken wegsteckte.
    Diese drei Muscheln waren das Herz, der Motor der Firma.
    Während mir diese Zusammenhänge klar wurden, saugte mein Körper die gefährliche Strahlung auf. Allmählich dämmerte mir, dass ich mich damit selbst umbrachte. Ob es Tage, Wochen oder Monate dauerte – in der nächsten Zeit würde mein Zustand sich verschlechtern. Ich würde dasselbe Schicksal erleiden wie Mori und meine anderen Vorgänger.
    Wenn ich das Geheimnis der Öffentlichkeit verriet, würde man die Muscheln bergen, und die Firma würde zugrunde gehen. So hatte es Emi prophezeit, und das machte Sinn. Sie musste das Geheimnis von einem der früheren Geschäftsführer erfahren haben und hatte versucht, Mori und mich zu warnen. „Hüten Sie sich vor der Bleikammer“, hatte sie gesagt. Mir Idiot war es wichtiger gewesen, das Rätsel zu lösen als ihren Rat zu befolgen.
    Noch immer stand ich da, die radioaktiven Gegenstände in meiner Hand. Strahlung tat nicht weh. Man konnte sie nicht sehen, nicht hören und nicht fühlen.
    Gott, ich hatte mir mein eigenes Grab geschaufelt.
    Ich sehnte mich danach, meine Frau zu sehen. Lange würde ich nicht mehr zu leben haben, aber bis dahin wenigstens wollte ich in ihrer Nähe sein, und …
    Mir fiel ein, dass das unmöglich war. Ich war bereits verstrahlt. Vielleicht war es noch nicht so schlimm, dass die Menschen an meinem Arbeitsplatz darunter litten, aber wie konnte ich jetzt noch eine Frau umarmen, die ein ungeborenes Kind im Bauch trug?
    Die Tränen liefen mir über die Wangen, und ich setzte mich auf den Boden der Bleikammer. Meine Finger umklammerten die Muscheln. Wenn ich doch nur die Zeit um einige Minuten hätte zurückdrehen können …
    Vielleicht war es am besten, wenn ich diesen Raum gar nicht mehr verließ. Es würde meine Qualen abkürzen, diese Muscheln nicht mehr aus der Hand zu geben, hier sitzen zu bleiben und sie festzuhalten.
    Wenn ich schon nichts und niemanden mehr festhalten durfte, dann wollte ich mich wenigstens an sie klammern.
    Ich war ganz oben. Wenn ich diese Kammer nicht betreten hätte, wäre ich in ein paar Jahrzehnten vielleicht der reichste Mann der Welt gewesen. Und jetzt – was besaß ich jetzt? Drei Muscheln …
    Was würde der Arzt wohl meiner

Weitere Kostenlose Bücher