Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Titel: Totenruhe - Bleikammer - Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
Frau erzählen?

    ENDE DER EPISODE

    - - - - - - -

Nr. 47 -

Ein Phantom geht um

1
    „Gut, damit ist die Stunde beendet.“
    Die Studenten erhoben sich. Einige hatten ihre Notizhefte schon zusammengeklappt – es waren immer dieselben, die unruhig wurden, wenn sich der Unterricht dem Ende entgegenneigte: Harald hauptsächlich, und natürlich Michael, der offensichtlich trotz fortwährenden Naschens während der Stunde einen solchen Kohldampf schob, dass er das Mittagessen herbeisehnte wie ein Kind die Weihnachtsbescherung.
    Margarete, die jeden Montag den Vormittagsunterricht hielt, sah unzufrieden aus. Ihre Ausführungen über die Geschichte der Magie waren wieder ein wenig trocken ausgefallen. Sie wusste, dass die Studenten sich mehr Praxis wünschten, aber Falkengrund war nun einmal keine Zauberschule aus dem Kinderbuch, in der die Schüler täglich Radiergummis in Fledermäuse verwandelten …
    Von allen Studenten beobachtete Artur seine Dozentin am aufmerksamsten. Er war noch immer nicht sicher, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Seit er auf das Schloss zurückgekehrt war, hatte er kaum ein Wort mit ihr gewechselt. Von dem Tag an, als sie seinen Schutzgeist in einen Bernstein gebannt hatte, fühlte er sich einsam, alleingelassen und vor allen Dingen schutzlos. Mehrmals hatte er versucht, den Geist aus seinem Gefängnis zu befreien, doch seine Kraft hatte nicht ausgereicht, um den Bann zu brechen, der ihm von der Hexe auferlegt worden war.
    Er hätte mit Margarete darüber sprechen können, aber dann hätte er sie anflehen müssen, den Zauber aufzuheben. Und dazu war er zu stolz. Sie hatte ihm sein Eigentum genommen, und er würde es sich zurückholen – aus eigener Kraft, nicht, indem er sie unterwürfig darum bat. Den Stein trug er stets bei sich, und es war nur eine Frage der Zeit, bis es ihm gelingen würde, ihn zu knacken.
    Artur hasste Margarete nicht. Er spürte, dass sie kein schlechter Mensch war, dass sie sich jede Sekunde ihres Lebens Mühe gab, es allen recht zu tun. Er sah ein, dass sie einen guten Grund gehabt hatte, seinen Schutzgeist kampfunfähig zu machen. Hätte sie es nicht getan, hätte er Madoka, die Macht über ihn zu erlangen versuchte, möglicherweise getötet. Doch diese Gefahr war längst gebannt. Madoka hielt sich nicht einmal mehr auf Falkengrund auf. Melanie war vor drei Tagen alleine aus Japan zurückgekehrt. Es gab keinen Grund mehr, ihm noch länger das vorzuenthalten, was ihm gehörte.
    Artur erkannte Margaretes Autorität an, soweit sie die Schule anging. Er befolgte ihre Anordnungen, wenn sie den Unterricht betrafen. Er lehnte sich nicht auf, hinterfragte sie nicht. Was er nicht akzeptieren konnte, war, dass sie sich tiefer in das Leben ihrer Studenten einmischte als es sie etwas anging. Sie mochte eine fähige Hexe sein und ein paar Jahre mehr Lebenserfahrung haben als er, aber auch sie wusste nicht alles. Es gab Dinge, die selbst sie nicht verstand. Auch sie konnte nicht nachempfinden, wie es im Inneren der anderen aussah. Was es auslöste, wenn sie ins Leben fremder Menschen eingriff.
    Beim Hinausgehen stieß er beinahe mit Melanie zusammen. Sie lächelte ihm zu und ging die Treppe hinauf. Er ertappte sich dabei, wie er ihr folgte wie ein Hündchen. Als sie im ersten Stock ankamen, nahm er sie zur Seite. Isabel ging vorüber und warf ihnen einen skeptischen Blick zu. Man sah der Gothic-Frau an, dass sie am liebsten stehengeblieben wäre.
    „Melanie, ich muss mit dir reden“, sagte er leise.
    „Worüber?“ Die Miene der Rothaarigen war offen, einladend. Sie konnte nicht verbergen, dass es ihr gut tat, von ihm angesprochen zu werden. Zwischen ihnen gab es einiges zu bereden.
    „Über dich. Und … über Madoka.“
    Sie schluckte etwas hinunter und lächelte dann. „Richtige Reihenfolge. Herzlichen Glückwunsch. Sie haben mit sofortiger Wirkung ein Gespräch mit der süßen Melanie gewonnen.“
    Sie standen unweit der Fernsehnische, und gemeinsam nahmen sie auf der bequemen Couch Platz, in sicherem Abstand voneinander, und starrten eine Weile auf den ausgeschalteten Fernseher. „Ich wollte fragen“, begann er vorsichtig, „ob jetzt niemand mehr da ist, der … durch deine Augen sieht. Ich meine …“
    „Jedenfalls kein Japaner mehr“, antwortete sie prompt, als hätte sie die ganze Zeit schon auf diese Frage gewartet. „Jetzt sind es nur noch ein paar Dämonen, schätze ich. Vermutlich sitzen sie gerade in der Hölle an einem ähnlich lauschigen Ort

Weitere Kostenlose Bücher