Totenruhe
gelebt hat. Ich wollte es mieten oder es ihr vielleicht abkaufen, wenn es mir gefiele. Aber jetzt weiß ich nicht - es kommt mir makaber vor.«
»Das Haus gehört ihr immer noch?«
»Ja. Ich glaube - ich glaube, irgendwie hat sie immer noch darauf gehofft, dass Kathleen oder Max wieder nach Hause kommen würde.«
»Und das zwanzig Jahre lang. Wahnsinn. Hat sie es in der Zwischenzeit an jemand anders vermietet?«
»Nein.«
»Komisch.«
»Die Menschen klammern sich an die Hoffnung«, sagte er. »Das müssen sie auch, finden Sie nicht?«
»Wahrscheinlich schon. Also … also wohnen Sie jetzt bei ihr. Warum wollte sie das?«
»Sie wollte mich kennen lernen. Ich bin viel mit ihr, Helen Swan und Auburn Sheffield zusammen gewesen und sogar mit Warren Ducane, ehe er weggegangen ist. Ich mag sie alle, aber ganz besonders mag ich Helen und Lillian.« Er hielt kurz inne. »Ich war gestern bei ihr, als die Polizei Lillian von dem Fund berichtet hat.«
»Oh nein …«
»Es war ganz schlimm für sie, obwohl es schon so lange her ist. Gott sei Dank ist Helen vorbeigekommen, um ihr beizustehen, weil ich mir nämlich - gelinde gesagt - total fehl am Platz vorgekommen bin. Und genau das meine ich: Ich kann nicht seinen Namen tragen und mit diesen Leuten befreundet sein und dann so tun, als wüsste ich nicht, wer der andere Max Ducane gewesen ist. Was Sie da in dem Kofferraum gesehen haben - das waren Lillians Tochter und ihr Enkel. Warren hat seinen Bruder geliebt - er hat mich als Erben für das gesamte Vermögen eingesetzt, weil ich ihn an Todd erinnert habe. Begreifen Sie das nicht? Ich könnte es mit mir selbst nicht aushalten, wenn ich nicht etwas täte, um … Gerechtigkeit walten zu lassen, falls das überhaupt möglich ist. Ich muss das Geld verwenden, um herauszufinden, wer sie alle umgebracht hat.«
»Das ganze?«, fragte ich verblüfft.
»Nein. Das könnte ich gar nicht, selbst wenn ich wollte. Auburn und Mr. Brennan werden das Vermögen verwalten, bis ich dreißig bin. Sagen wir einfach, dass ich jetzt genug Rechte zugestanden bekommen habe, um eine hohe Belohnung aussetzen zu können, ohne selbst am Hungertuch nagen zu müssen.«
An diesem Punkt begann ich, Klartext mit ihm zu reden. Ich fragte ihn, ob ich seine Geschichte schreiben dürfe, einschließlich des Teils mit der Belohnung, und arbeitete nach und nach eine Liste von Dingen ab, die er mir erzählt hatte und die veröffentlicht werden konnten, ohne dass es irgendjemanden verletzte. Manches - in erster Linie negative persönliche Kommentare über Mitch und Estelle - wollte er nach wie vor unter Verschluss halten. Er sagte, ich dürfe O’Connor und Lefebvre alles sagen, was zur Aufklärung der Morde beitragen könne, vorausgesetzt, auch davon drang nichts an die Öffentlichkeit. Er wollte nichts, was er über Mitchs und Estelles Ehe gesagt hatte, in der Zeitung sehen. Vermutlich ließ ich mich aufgrund der sich langsam entwickelnden Freundschaft zwischen uns darauf ein und bedrängte ihn nicht weiter.
Ich erzählte ihm von Mitchs Besuch im Büro des Coroners.
»Das wundert mich nicht«, sagte er. »Mitch bildet sich ein, er hätte Sonderrechte. Vermutlich hat er sie sogar.«
»Ihr Cousin war allerdings derjenige, der dann mit dem Coroner gesprochen hat, glaube ich.«
»Mein Cousin? Eric oder Ian?«
»Ian - zumindest hat Lefebvre gesagt, es sei Ian gewesen.«
»Mit einer silbernen Strähne im Haar?«
»Ja.«
Er verzog das Gesicht und erschauerte demonstrativ.
»So schlimm?«
»Ian und Eric sind böse.«
Ich lachte.
»Das war kein Witz.«
Sein Ton und seine Ernsthaftigkeit erschreckten mich.
Die dadurch entstandene Verlegenheit ließ kurz darauf wieder nach, als unser Ober erschien und uns fragte, ob wir Nachtisch oder Kaffee wollten. Wir lehnten beides ab, und schon bald kehrte er zurück, brachte uns die Rechnungen, nahm mit einem Wort des Dankes unsere Kreditkarten an sich und vermittelte glaubhaft, dass es ihm ein Vergnügen gewesen war, uns zu bedienen.
Ich sah Max an, dass ihm unwohl war, als der Ober davonging. »Keine Sorge«, sagte ich, »meine Karte wird nicht abgelehnt.«
Er lächelte. »Ich hoffe, dass ich das eines Tages wieder gutmachen kann. Wissen Sie, dass wir mal was zusammen unternehmen können, ohne dass es Arbeit für Sie ist.« Er lief rot an, nachdem er das gesagt hatte.
»Haben Sie eine Freundin auf dem College?«, fragte ich.
»Nein. Aufs Dartmouth gehen nicht viele Mädchen - sie lassen ja erst seit sechs
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