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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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auf seine Eier, wie ich konnte.
    Die Tasche traf Eric voll im Gesicht statt in seinen Weichteilen und verursachte ein sattes Knacken in seiner Nase. Ich hatte sein verletzlicheres Körperteil nicht etwa verfehlt, weil ich schlecht gezielt hätte, sondern weil Eric bereits auf dem Weg zu Boden war. Dort prallte er wesentlich härter auf, als ich ihn getroffen hatte.
    Ich hatte nicht genau gesehen, was Max mit ihm gemacht hatte, doch er war schnell gewesen wie der Blitz.
    Eric dagegen regte sich überhaupt nicht mehr.
    »Jetzt bedauere ich es fast, dass wir uns nicht privat getroffen haben«, sagte ich mit zitternden Knien. »Drachentöter sind heutzutage so verdammt selten.«
    »Komm her«, sagte Max, legte mir einen Arm um die Schultern und führte mich schnell davon. »Wir müssen hier weg.«
    »Wo hast du denn Karate gelernt oder was immer das war?«

    »Militärisch geprägtes Internat, hab ich doch erzählt.«
    Ich blickte mich kurz nach Eric um und sah, dass er langsam auf die Beine kam. Ich rannte los in Richtung Auto. Max rannte ebenfalls.
    Wir fuhren gerade rückwärts aus der Parklücke, als Eric zwischen den geparkten Autos hervor auf uns zukam. Aus seinem Gesicht tropfte ihm Blut aufs Hemd. Einen Augenblick lang dachte ich, er werde sich dem BMW in den Weg stellen, doch Max trat aufs Gas, und Eric hatte immerhin noch so viel Verstand, dass er auswich. Mit quietschenden Reifen rasten wir vom Parkplatz und fuhren wie der geölte Blitz durch mehrere Seitenstraßen, schlitterten um Kurven, bremsten scharf und manövrierten dicht um bewegliche und unbewegliche Objekte herum.
    Ich weiß nicht, ob dabei Sekunden oder Minuten verstrichen. Woran ich mich allerdings erinnere, ist, dass ich mich fragte, ob mich mein Vater nun doch überleben und wer ihn dann pflegen würde. Woran man eben so denkt, wenn man voller Adrenalin ist.
    Fast so schnell, wie unsere wilde Fahrt begonnen hatte, war sie auch schon wieder beendet. Max fuhr an den Rand einer Wohnstraße und parkte im Schatten einer wuchtigen Eiche. Wir saßen da und lauschten dem leisen Klicken und den anderen kleinen Geräuschen des abkühlenden Motors. Max ließ die Fenster herunter. In der Baumkrone zwitscherten Vögel, es ging eine leichte Brise, und man hörte das Stottern eines pulsierenden Rasensprengers zwei Häuser weiter.
    Wir zitterten beide.
    »Meinetwegen kommst du jetzt zu spät zur Arbeit«, sagte er, »deshalb bringe ich das Buch für dich in die Bücherei zurück.«
    Fragen Sie mich nicht, warum, aber das schien mir einer der lustigsten Sätze zu sein, die im gesamten zwanzigsten Jahrhundert geäußert worden waren. Ich fing an zu lachen und er auch.
    Als er wieder Luft bekam, fügte er hinzu: »Du musst mir erklären, wie ich hier wieder rauskomme. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind.«
    Das löste einen zweiten Lachanfall aus.
    Ich sah ihn an und hätte mich ehrlich gesagt am liebsten auf ihn gestürzt und ihn geküsst. Und ich hätte schwören können, dass er mich auf genau die gleiche Weise angesehen hat. Doch keiner von uns rutschte näher zum anderen hinüber, und so verstrich der Moment, bis wir beide zur Windschutzscheibe hinausblickten, als würde sich die Gegend vor uns irgendwie verändern oder hätte sich verändert haben müssen, da sich gerade bei uns etwas anderes verändert hatte.
    »Wenn du geradeaus zur nächsten Kreuzung fährst«, erklärte ich, »kann ich das Straßenschild lesen und uns vermutlich von dort aus weiterlotsen.«
    »Okay«, sagte er und ließ den Wagen an.
    Ich reimte mir zusammen, wo wir waren, und erklärte ihm, wie er fahren musste, bis wir in Straßen kamen, die er kannte. Er erklärte mir, dass eines Tages seine GPS-Teile in Autos eingebaut wären und die Leute zu ihren Zielen leiten würden, selbst wenn sie sich in völlig unbekannten Gegenden aufhielten.
    Für mich klang das ein bisschen wie Zukunftsmusik, aber das war es nicht, was mich in Wirklichkeit daran störte. »Sich zu verirren ist doch gar nicht immer so schlecht, oder?«, sagte ich. »Ich meine, wenn du immer nur dorthin fährst, wohin du willst, und nur die empfohlenen Straßen nimmst, siehst du nur das, was auch alle anderen ständig sehen. Die abgelegeneren Orte entgehen dir.«
    Er lächelte. »Wer abenteuerlustig ist, kann das GPS ja einfach ausschalten.«
    »Oder es ignorieren.«
    Er lachte. »Du brauchst keinen Drachentöter, du erledigst die Ungeheuer ganz allein.« Er sah zu mir herüber, ehe er den
Blick wieder auf die Straße

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