Totenschleuse
Malbek eine Parklücke zwischen einem schwarzen Porsche und einem roten Ferrari.
»Erzähl den Playboys mal was vom Glück des einfachen Lebens«, sagte Malbek und klopfte seinem Wohnmobil auf den Kotflügel.
Jette und Hilly zupften an ihrer Frisur und sahen an sich herunter, dann ein prüfender Blick auf die Kleidung ihrer Männer, obwohl es da nichts Besonderes zu sehen gab. Lüthje trug wie immer ein Cordjackett und Malbek eine Lederjacke. Immerhin hatten sie beide das beste Exemplar aus dem Kleiderschrank gewählt, auf die Jeans verzichtet und sich zu einer schwarzen Hose überreden lassen.
Vor dem Eingang standen im Windschatten mehrere Rauchergrüppchen, die neugierig die unbekannten Neuankömmlinge begafften und tuschelnd mit golden schimmernden Feuerzeugen, Sektgläsern und Häppchentellern balancierten.
»Das Büfett ist also eröffnet, wir sind keine Minute zu spät«, sagte Lüthje zufrieden, Hillys missbilligende Blicke ignorierend.
Im Ausstellungsraum war man zum gemütlichen Teil übergegangen. Die Eröffnungsreden waren vorbei. Man lächelte, wie bei kulturellen Anlässen üblich, sparsam, trank reichlich, aß Fingerfood oder gestelzt mit der Gabel. Die Damen waren ängstlich bemüht, nicht mit den Lippen die Nahrung zu berühren, was oft zu lächerlichen Grimassen führte.
Im Gespräch nickten sich man und frau bedeutsam zu, hin und wieder ein Lächeln, mal verständnisvoll, mal amüsiert, aber auch säuerlich, alles abwechslungsreich dosiert. Niemand sollte hinterher herumerzählen können, man sei langweilig gewesen.
Das Büfett war im Wintergarten aufgebaut. Mit diesem Ziel vor Augen ruderten die vier durch ein Meer von sektgetränkten Gesprächsschnipseln, die sich in die Gehörgänge klebten, gegluckst, gekichert, beschwipst, gequengelt oder einfach geradeheraus gebalzt oder geröhrt.
Von Mann zu Mann: »… würde ich gerne in Ihren Erinnerungen blättern …«, oder rechts vor dem biologisch gebeizten Bio-Lachs von Frau zu Frau: »… wenn du das Gefühl hattest, dass da ein Kuss ankommt, dann hattest du das richtige Gefühl, dass da ein Kuss ankommt …«, und am Baguettekorb: »… aber ich will doch wahrgenommen werden, gerade dann, wenn, ich meine, die anderen hätten den vergoldeten Wagenheber …«
»… Sehnsucht liebend, in sich stillend …«, las ein junger Mann laut von einem Zettel ab.
»… Soll ich dir ein Taxi bestellen? Josef hat sich vorhin für mich entschieden, weil du …«
»Man kotzt sich hier wie überall vor die Füße, aber auf Sylt wickelt man das vorher in Blattgold ein«, sagte Hilly zu Jette.
»Eben Syltet Sild«, antwortete Jette. Die beiden schienen ihren Streit vergessen zu haben. Und würden ihn bei nächster Gelegenheit wiederaufnehmen. Die besten Voraussetzungen für eine Freundschaft. Frauen konnten das. Manchmal. Wenigstens vorübergehend.
»Wo ist die Kunst?«, fragte Malbek.
»Ich vermute, hinter den Gästen an den Wänden«, sagte Lüthje grinsend. Er aß nur Fisch oder Obst, soweit Malbek sehen konnte. Ohne ein einziges Gramm Kohlenhydrate. Hilly strahlte ihren Eric stolz an.
»Man trifft sich auf solchen Events, um sich auszutauschen, nicht um Kunst anzusehen«, sagte Jette in belehrendem Ton.
»Wo ist Rita?«, fragte Hilly, bemüht, das Thema zu wechseln.
Als Malbeks Blick durch den Raum wanderte, entdeckte er Axel Molsen mit einem Glas Sekt in der Hand und einem Safari-Hut auf dem Kopf, der auf einer Seite verwegen hochgeschlagen war, etwas verlegen, so, als ob er nach jemandem suchte, der sich mit ihm unterhalten würde. Der Reeder in freier Wildbahn. Es hatte sich also gelohnt.
Jette stand etwas abseits an einer Ausstellungswand und hielt das Diktiergerät abwartend vor den Mund.
»Bevor du an die Arbeit gehst«, sagte Malbek, »stell mir doch bitte die Persönlichkeiten in diesem Raum vor. Du kennst sie doch sicher alle, oder?«
Eine junge Frau mit glitzerndem, vorn und hinten abgrundtief ausgeschnittenem Kleid und einem halb vollen Sektglas in der rechten Hand kreischte übermütig auf. Mit ihrer freien Hand lockerte sie ihrem stark gebräunten Gesprächspartner den Schlips, öffnete die oberen Knöpfe seines Hemdes und ließ dabei etwas Sekt auf sein Oberhemd tropfen. Der Gesprächspartner sah zu Jette hinüber und nickte ihr verlegen zu, als ob ihm die Szene peinlich wäre. Jette schien es nicht bemerkt zu haben. Sie beobachtete amüsiert die Frau, die mit rollenden Augen versuchte, etwas Wichtiges zu
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