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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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Kaffee trinken, Zeitung lesen, Ruhe im Haus, weil Weib und Kind …
    »Pah, was weißt denn du! Im Büro stapeln sich die Akten, während der Herr Obermeister seine idiotischen Ermittlungen anstellt und so tut, als hätte er den Kriminalquark mit Löffeln gefressen!«
    Von Aktenstapeln wusste Pieplow nichts, und Kriminalquark war ihm auch noch nicht untergekommen. Aber das behielt er wohlweislich für sich. Er tauschte mit Andrea einen Solidaritätsblick aus und gab ihr zum Abschied einen Kuss auf die Wange. Sie roch gut, fand er. Klar und sauber nach Seewind und Seife. »Danke fürs Frühstück, Andrea.« Dann wies er mit einer Kopfbewegung zu Kästner hinüber, der mit den Fingern der rechten Hand auf das Autodach trommelte: »Wenn ich ihn heute Abend zurückbringe, hat er sich wieder eingekriegt.«
    »Ich weiß«, sagte sie und lachte.
    Kurz vor der Heiderose war es so weit. »Was hast du denn nun in Erfahrung gebracht?«
    Pieplow erzählte es ihm.
    »Traurige Geschichte«, sagte Kästner. »Aber eben ein Unfall. Das ist doch klar wie dicke Tinte, und mir ist schleierhaft, was dich daran so interessiert. Wenn der Tod der Kleinen auch nur das Geringste mit diesem Skelett zu tun hat, will ich Bolle heißen.«
    »Wäre gar nicht so schlecht.« Pieplow grinste.
    »Was?«
    »Bolle. Passt auf jeden Fall besser als Kästner.«
    »Döskopp.«
    Bis zur Dienststelle blieb es ruhig im Wagen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Kästner versöhnlichen. Pieplow ratlosen. Wahrscheinlich hatte Kästner Recht. Ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen war nicht zu sehen. Aber Pieplow fühlte, dass es ihn dennoch gab, auch wenn er beim besten Willen nicht sagen konnte, warum oder worin er bestand. Es war ihm, als hätten sich Dinge, die nicht zusammengehörten, in seinem Kopf vernetzt und würden nun Signale senden, die er nicht verstand, obwohl er sie fast körperlich spürte. Intuitiv sozusagen. Mit einem sechsten Sinn, über den er, wollte er sich nicht lächerlich machen, besser nicht sprach. Zumal, wenn er Luise Grönings Geschichte nicht preisgeben wollte, und dafür, so schien ihm, gab es noch keinen hinreichenden Grund.
    Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Betrachtungen. Pieplow meldete sich vorschriftsmäßig über die Freisprechanlage, obwohl der Wagen gerade auf der Parkspur unter dem Polizei-Schild ausrollte.
    »Guten Morgen, mein Guter!« Die Stimme des Professors klang munter wie immer. »Raten Sie mal, wem das Bonbon gehörte!«
    Pieplow wusste sofort, worum es ging. »Sagen Sie bloß …«
    »Genau! Da staunen Sie, was? Roloff, Dietrich Roloff, geboren am 11. Oktober 1909 in Stralsund. Bauzeichner und technischer Angestellter beim Wasserbauamt. Von wegen Ingenieur! Unser Goldfasan scheint sich gern mit fremden Federn geschmückt zu haben. Was man jedoch im Hinblick auf das Abzeichen nicht sagen kann. Alter Kämpfer, schon vor Dreiunddreißig dabei gewesen. Daher die niedrige Parteibuchnummer. Schön hinten in die Medaille graviert, die es zur Belohnung dafür gab.«
    »Aber sagten Sie nicht, die Kriminaltechnik …«
    »Gewiss, gewiss. Letzte Sicherheit haben wir erst, wenn die ganze Gravur lesbar gemacht wurde. Aber der alte Richleben meint, es passt auch so schon perfekt …«
    Der alte Richleben, stellte sich heraus, war Historiker. Professor für Neuere Geschichte, um genau zu sein.
    Längst eremitiert, aber sonst noch ganz auf der Höhe und gerne bereit, seinem alten Freund Dahlke einen Gefallen zu tun und in Archiven und Verzeichnissen nach einem Dietrich Roloff zu forschen. Dass Dahlkes Anruf früh um sechs gekommen war, schien der Hilfsbereitschaft des alten Richleben keinen Abbruch getan zu haben.
    »Da sage noch einer, senile Bettflucht habe nicht auch ihre guten Seiten«, verkündete der Professor fröhlich.
    Pieplow dachte an Käthe Brands trockene Wäsche und stimmte zu.
    »Das war’s schon, mein Guter. Ich mache mich jetzt auf den Weg in meine Katakomben und widme mich diesem Herrn etwas ausführlicher. Mal sehen, ob sich sonst noch interessante Erkenntnisse gewinnen lassen.«
    »Auf Wiedersehn, Herr Professor«, verabschiedete sich Pieplow förmlich. Dass er die Abreise des Professors bedauerte, ging niemanden etwas an. Auch Kästner nicht, der, das merkte Pieplow ohne zu ihm rüberzusehen, sich amüsierte wie bei einem Schwank.
    »Mein Guter! Mein Guuutester!«, prustete Kästner los, sobald die Verbindung unterbrochen war. »Ich werd’ nicht wieder! Die Herren Professoren unter sich.

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