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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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ein einziges Staubkorn seinen Liegeplatz verlässt. Geschweige denn der Sand unter dem Sisalläufer im Flur oder die Bierflaschen von vor zwei Tagen.
    Alles andere als einladend, stellte Pieplow fest, als er versuchte, seine Wohnung durch prüfende Frauenaugen zu sehen. Geradezu deprimierend. Sogar für ihn, der eine gepflegte Unordnung durchaus zu schätzen wusste. Hier ein aufgeschlagenes Buch, da ein Zeitungsstapel. Es durfte ruhig auch das eine oder andere Kleidungsstück herumliegen, wo es eigentlich nicht hingehörte. Aber irgendwann in der letzten Zeit musste Qualität in Quantität umgeschlagen sein. Das Ergebnis konnte bestenfalls unvorteilhaft genannt werden.
    Passt zu mir, kam es Pieplow in den Sinn. Alles nicht mehr ganz taufrisch. Ein Sofa mit Kuhle, wo sein Hintern jeden Fernsehabend den Schaumstoff platt drückte. Passabel bestückte Bücherregale, aber keine einzige bibliophile Kostbarkeit. Zwei Sessel, von denen einer immer am Fenster stand und inzwischen speckige Lehnen hatte. Zu viele einsame Sternennächte und zu wenig Gelegenheit, auch den zweiten Sessel zu benutzen.
    Er merkte, wie sein Selbstbild, zurückgeworfen von diesem staubigen grauen Spiegel, zunehmend litt, und begann zu putzen. Er hörte erst wieder auf, als die Waschmaschine lief, nachdem er sogar das Bett neu bezogen hatte. Das war turnusmäßig dran und hatte nichts damit zu tun, dass morgen Marie kam.
    Vielleicht wären Blumen auf dem Tisch nicht verkehrt. Aber im knöchelhohen Gras seines Gartens entdeckte er nichts, mit dem er sich nicht lächerlich machen würde. Blieb nur, auf den Gartentisch zu steigen und über den mannshohen Zaun zu langen, mit dem Benzlau ihm die Sicht auf die Mädels in seinem Schlepptau verwehrte, und sich an dessen Kletterrosen zu bedienen.
    Als auch noch das Gras gemäht war, konnte das Ergebnis sich sehen lassen, fand er. Arm, aber sauber, wie Großmutter Pieplow zu sagen pflegte, wenn sie ihm seine frisch geflickten Hosen gewaschen und geplättet in den Schrank legte.
    Zufrieden gönnte er sich sein Feierabendbier.
    »Wer ist denn die Glückliche?«
    Vor Schreck setzte Pieplows Schluckreflex aus. Gestautes Bier prickelte zwischen Rachen und Nase. Erst als es heruntergewürgt war, konnte er reagieren. »Mensch, Benzlau! Hast du mich erschreckt.« Er rappelte sich aus dem Sessel hoch, um den Gast zu begrüßen, mit dem er frühestens morgen gerechnet hatte.
    Benzlaus »Gut siehst du aus« parierte er artig mit einem »Du aber auch«, obwohl das Gegenteil offensichtlich war. Benzlau hatte zugenommen. Der Gürtel seiner Hose schnitt eine tiefe Spur in das Polohemd über seinem Bauch, der so weich und schwammig wirkte wie das enorme Doppelkinn. Dass der Panamahut fehlte, ließ den Blick auf die fusseligen Haarreste zu, die er sonst verbarg.
    »Entweder du lügst, oder du hast ein Faible für alte, fette Marabus mit grindigen Köpfen und schwarzen Füßen.« Benzlau lachte und schlug ihm jovial auf die Schulter. Wenn Pieplow noch Bier im Mund gehabt hätte, wäre es spätestens jetzt zur Nase herausgekommen.
    »Also, wer ist es?«
    »Wer soll was sein?«
    »Die Frau, für die du diesen Aufriss hier veranstaltest.«
    Pieplow stellte sich stur. »Ich hab keine Ahnung, was du meinst.« Er reichte Benzlau eine Flasche Bier und sah zu, wie er sie mit einem Zug zur Hälfte leerte.
    »Verarschen, mein lieber Daniel, kann ich mich alleine. Wenn ich wollte, dass auch der größte Döskopp in seinem Kinosessel kapiert, was los ist, würd ich einen Bullen seine Bude putzen und Blumen klauen lassen. Und da ich in diesem Fall auch noch der Beklaute bin, ist die Frage doch wohl legitim, für welche Inselschönheit du dich so ins Zeug legst.«
    Es half nichts, Benzlau würde nicht lockerlassen, und Pieplow versuchte sich in Schadensbegrenzung: »Erstens hatte ich in den letzten Wochen so viel um die Ohren, dass ich nicht dazu gekommen bin, den Feudel zu schwingen. Zweitens kommt morgen Marie.«
    »Ha, ich wusste es doch!«, rief Benzlau mit erhobenem Zeigefinger und in dramatische Falten gelegter Stirn. »Die spröde Schöne und der Polizist.«
    »Quatsch«, sagte Pieplow. »Sie bringt was vorbei, das ist alles.«
    »Na klar«, sagte Benzlau betont väterlich und kniff ein Auge zu. »Apropos vorbeibringen. Es ist doch eine ganze Menge Material, und ich dachte, wir können es uns gemeinsam ansehen, bevor meine Bagage morgen eintrudelt.« Er wedelte mit einer flachen, quadratischen Plastikhülle. »Alles auf DVD. In

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