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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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Spitzenqualität. Mein Techniker hat sich quasi selbst übertroffen.«
    Pieplow hatte keine Ahnung, wovon die Rede war. Benzlau half seiner Erinnerung auf die Sprünge. Das Gespräch, das er trotz Benzlaus freundlichem Angebot so unfreundlich abrupt beendet hatte.
    »Welches Angebot?«
    »Eins, das du nicht ablehnen kannst«, witzelte Benzlau. Dann wurde er ernst: »Die Rede war von meinem Archiv. Nicht dem der Produktionsfirma, sondern meinem privaten. Bestückt mit allem, was die Öffentlichkeit nichts angeht. Zum Beispiel die völkischen Fingerübungen meines alten Herrn.«
    Pieplow begriff ziemlich schnell, was Benzlau damit meinte.
    Bilder wie Glaubensbekenntnisse.
    Der Mann als Bezwinger der Gewalten mit muskulösem Körper und zupackenden Fäusten. Die Arbeit als edelste Form des Menschseins.
    Fürchterlich.
    Fischer als Beherrscher der Elemente.
    Bauern mit Sensen und Dreschflegeln. Nackte Oberkörper in Sonnenglut und Erntestaub.
    Männer mit unerschöpflicher Kraft im Kampf gegen die See. Tonnenschwerer Granit als Waffe gegen Raßmus, den Räuber an Land und Volk.
    »Halt!« Pieplow sprang auf. »Halt an und spul zurück!« Er ging vor dem Fernseher auf die Knie, starrte auf die zuckenden Bewegungen im schnellen Rücklauf und rief »Da!«, als der Mann am Steinwall ins Bild kam. Ohne Hut und Jackett, die Ärmel des weißen Hemdes hochgekrempelt. Ein Arm ausgestreckt in Richtung Wall und Meer. Im anderen lange Papierrollen, seitlich gehalten wie Schlachtpläne an der Feldherrenbrust.
    Roloff. Darauf hätte Pieplow das Familiensilber gewettet, auch wenn es außer Brille und Wichtigtuerpose nichts gab, womit er seine Vermutung begründen konnte. Dietrich Roloff, genannt der Ingenieur. Ermordet im Frühjahr 1939. Fast siebzig Jahre später als Standbild auf dem Fernsehschirm im Wohnzimmer des Polizeiobermeisters Daniel Pieplow.
    »Kann man davon Bilder machen? Vergrößerungen und so was?«
    Benzlau nickte. »Machen kann man fast alles, vorausgesetzt, man hat genug Ahnung und das richtige Equipment. Ich schätze mal, beim LKA gibt’s beides.«
    »Mmh«, machte Pieplow, und dann sprach eine Weile keiner von beiden. Pieplow holte Bier. Benzlau drückte auf den Startknopf. Die Männer auf dem Huckedamm arbeiteten weiter. Unverkennbar heldenhaft. Pieplow schüttelte ratlos den Kopf. Konnte kaum glauben, dass Hiddenseer dabei mittaten. Für so was waren sie doch zu stur. Zu dröge. Man machte seine Arbeit, und gut. Von wegen bezwingen und beherrschen. Leben und leben lassen, so waren die Leute hier gestrickt. Wenn schon Helden, dann knorrige, wortkarge. Aber nicht dieser heroische Schwulst.
    »Sieh an. Daniel Pieplow wundert sich.« Benzlau grinste, wenn auch ein wenig bitter. »Warte, bis du den Rest auch angeguckt hast, dann weißt du, wozu eine Filmkamera verführen kann. Erst recht, wenn der Mann dahinter einen Auftrag der Reichsfilmkammer in der Tasche hat und die lokalen Nazi-Größen ihm die Stiefel lecken.«
    Dass es der Bessin war, sah Pieplow sofort. Junges, unberührtes Land mit zartweißem Sand, verborgen hinter dichtem Sanddorngebüsch.
    Lichtreflexe auf heller, reiner Haut. Frauen am Wasser. Brüste und Scham der Sonne dargeboten. Quell des Lebens. Schoß der Nation. Weihepriesterinnen der ewigen Ordnung.
    »Oh, Mann.« Mehr fiel Pieplow dazu nicht ein.
    »Du sagst es. Auch wenn der erst zum Zug kommt, wenn der offizielle Teil der Aufnahmen im Kasten ist.«
    »Du meinst …« Pieplow suchte eine unverfängliche Formulierung.
    »Bist du so naiv, oder tust du nur so? Klar meine ich. Damals ging’s auf dem Bessin hoch her. Und mein Alter Herr immer mittenmang. Darüber konnte ihm dreißig Jahre später noch der Schweiß ausbrechen. Der Lustschweiß, wohlgemerkt. Hättest ihn mal hören müssen in interessierter Männerrunde. Von der Jungfer Blasewitz bis zum Heideröslein muss alles dabei gewesen sein.« Als Regieanweisung für den Film in Pieplows Kopf hechelte Benzlau wie eine erschöpfte Bulldogge.
    »Heideröslein?« Pieplow zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Röslein wehrte sich und stach / Half ihm doch kein Weh und Ach / Musst es eben leiden …«
    Benzlau, der Kulturmensch.

    Pieplow schlief schlecht in dieser Nacht. Er fand trotz der Biere mit Benzlau den Weg aus den Bildern des Abends nicht. Sie zogen durch seine Träume, wurden dunkler und quälender und rissen ihn in ihrem Sog mit sich fort.
    So laut er auch schrie, die Männer wollten nicht auf ihn hören. Mit übermenschlicher Kraft

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