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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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Tod begraben muss.
    Zwischen all dem musste es einen Zusammenhang geben, das spürte Pieplow. Aber mehr hatte er nicht. Nur dieses Gefühl, dem er bisher mit nichts Vernünftigem hatte beikommen können.
    Wie auch, dachte er, während er sich am Wasser entlang auf den Heimweg machte, wenn es Indizien nicht gibt, Beweise erst recht nicht, und niemand mehr am Leben ist, der noch etwas über diese beiden Jahre weiß. Wissen will, um genau zu sein, denn er hatte nicht den leisesten Zweifel daran, dass zum Beispiel Irma Duve nicht bei der Wahrheit blieb.
    Fragte sich nur, warum.

    Ein zusammengestückeltes Gerüst, darüber ein windschiefes Dach, mit Teerpappe abgedichtet. Nicht schön, aber allemal ausreichend, um darunter das Holz zum Trocknen aufzuschichten. Am liebsten Erlenholz, das Karl Lambrecht hinten auf seinem Grundstück zusammensuchte, wo in der feuchten Senke drei große Bäume prächtig gediehen. Wer so wie er etwas vom Fischräuchern verstand, der nahm Erle. Am besten gut abgelagertes, totes Holz, das der Wind aus den Kronen gebrochen hatte.
    Für einen jungen, gesunden Mann mochte das Sammeln und Kleinmachen und Stapeln keine Arbeit sein, aber wenn man so alt und gichtig war wie er, kostete es Mühe und brauchte Stunden.
    Es hatte nicht lange gedauert, das Wichtigste über ihn herauszufinden. Er war das jüngste der Lambrecht-Kinder und das einzige, das noch hier lebte. Als seine Schwester die Insel verließ, musste er sieben oder acht gewesen sein. Alt genug also, um sich daran erinnern zu können.
    Pieplow sah vom Zaun aus ein paar Augenblicke zu, wie Karl Lambrecht mit steifen, langsamen Bewegungen vor sich hin werkelte. Ein friedliches Bild. Der alte Mann, die Herbstwiese, im Hintergrund der Bodden. Aber der Alte war unberechenbar. Jähzornig wie der Vater, sagten die Leute. Argwöhnisch und immer auf dem Quivive, dass ihn ja keiner übers Ohr haute. Den Polizisten am Zaun musste er längst bemerkt haben, aber er sah nicht hoch und schenkte ihm keinerlei Beachtung. Erst als das Tor quietschend meldete, dass Pieplow das Grundstück betrat, hob er den Kopf.
    »Was willst du?« Keine Begrüßung, keine überflüssigen Floskeln. Gegen Polizisten war er allergisch, egal welche Farbe die Uniform hatte.
    Pieplow nahm es hin, dass er geduzt wurde, obwohl es ihn diesmal störte. Er rang sich zu den üblichen Polizistenhöflichkeiten durch, einschließlich der Entschuldigung für seinen frühen Besuch. Aber der Leichenfund in Kloster …
    »Ist mir scheißegal«, fiel ihm Lambrecht ins Wort. »Nur damit du Bescheid weißt. Wissen tu ich nichts und will ich auch nicht. Halt dich an die Quassler, und lass mich in Ruhe.« Er zog Rotz hoch, den er seitwärts ins Gras spuckte.
    »Es geht um Elisabeth«, fuhr Pieplow unbeirrt fort. »Oder Lissi, wenn Ihnen das lieber ist. Ich möchte gern wissen, warum sie damals fortging und was aus ihr wurde.«
    »Wüsste nicht, was euch das angeht«, knurrte der Alte störrisch und fuhr sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang.
    »Es könnte sein, dass sich Anhaltspunkte ergeben, die uns bei der Rekonstruktion der Ereignisse weiterbringen. Immerhin kannte Ihre Schwester die Leute, auf deren Grundstück der Tote gefunden wurde.«
    »Wer erzählt solchen Quatsch? Etwa Irma, die olle Betschwester? Die soll bloß den Sabbel halten und sich um ihren eigenen Scheiß kümmern.« Früher, als er noch aufrecht gehen konnte und muskulös war, hätte es bedrohlich gewirkt, wie er jetzt ruckartig den Kopf nach hinten warf, die Schultern straffte und die Hände ballte. Jeder Küchenjunge hätte gewusst, was es hieß, wenn Karl Lambrecht schmale Augen machte und seinen Brustkorb so mit Luft vollpumpte, dass sein Gebrüll bis in den Speisesaal zu hören war, wo die Ängstlichen unter den Gästen schon mal zusammenzuckten. Aber nun, da die knotigen Hände keine richtigen Fäuste mehr zustande brachten und er so unsicher stand wie ein Kind mit nackten Füßen auf grobem Kies, schüchterte er niemand mehr ein.
    »Also«, beharrte Pieplow, »warum ist sie gegangen?« Ohne Hast knöpfte er die Brusttasche seiner Uniformjacke auf, zog Stift und Notizbuch heraus und wartete auf Antwort. Die ruhigen Bewegungen seiner Hände wurden ebenso grimmig gemustert wie die dicht beschriebenen Seiten, in denen er blätterte, als gäbe es etwas zu überprüfen.
    »Warum, warum!«, schnauzte Lambrecht. »Ein Kind hat sie sich machen lassen, die dumme Kuh, und der Alte hat sie vom Hof gejagt. Darum!« Jetzt

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