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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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in den Nacken. Dann berührte der Dutt, zu dem sie ihr Haar geknotet hatte, ihre braune, von sonnengebleichten Härchen schimmernde Haut.
    Er unterdrückte einen Seufzer, weil der Schluckauf sein Zwerchfell und Marie seinen Herzrhythmus aus dem Takt brachten, und drehte unentschlossen seine leere Bierflasche zwischen den Händen. Schließlich stand er auf und kochte nun doch Kaffee.
    »Schön hast du’s hier.« Marie sah sich um.
    »Ooch, na ja, für mich reicht’s.« Ihm wollte nichts einfallen, womit sich die Spannung lösen ließ, deshalb wich er auf das halbwegs sichere dienstliche Terrain aus. »Hast du mit Fine gesprochen?«
    »Hab ich, ja.« In ihrer Stimme lag so viel Ernst, dass er sich zu ihr umwandte. »Und?«
    Sie sah zu ihm hinüber, ohne gleich zu antworten. Ihr Blick irritierte ihn. Zu lang, mit zu wenig Wimpernschlägen für eine harmlose Nachricht. Es war, als kündigten ihre Augen ein Etwas an, von dem er lieber nichts wissen wollte, dem er lieber aus dem Weg gehen sollte, bevor es ihn in Kalamitäten brachte.
    Als glaubte sie das auch, verlängerte Marie die Bedenkzeit: »Weißt du eigentlich, was du mit deiner Fragerei auslöst?«
    »Ich mach meine Arbeit, mehr nicht.« Daran, dass er ihrem Blick auswich, merkten beide, wie wenig das stimmte, und Marie hakte nach: »Seit wann gibst du das Mitdenken auf, wenn du arbeitest? Du musst doch merken, wie sehr es die alten Leutchen aufregt. Die, bei denen du schon warst, bei Irma Duve zum Beispiel oder Karl Lambrecht, beunruhigst du genauso wie alle, die glauben, dass du demnächst bei ihnen vor der Tür stehst. Sie wissen nicht, was du fragen und an was du rühren wirst, und das beschäftigt sie mehr, als ihnen gut tut. Nicht alle haben so ein dickes Fell wie Een oder Mall.«
    Pieplow fühlte sich unbehaglich. Ertappt und gekränkt zugleich.
    Marie hatte Recht. Er dachte an Otto Brand, dem er die Erinnerung an seine tote Schwester abgerungen hatte, an die hilflose Schuld, die der alte Mann mit sich herumschleppte. Oder an die fromme Irma Duve, die lieber das achte Gebot als ihr Schweigen brach.
    Aber da war dieser Mann, den jemand um sein Leben gebracht, beraubt und verscharrt hatte. Niemandem stand es zu, darüber hinwegzugehen, jetzt, wo das Verbrechen doch noch ans Licht gekommen war. Den Alten nicht, Marie nicht und am allerwenigsten ihm selbst.
    »Es hat immerhin einen Mord gegeben, Marie, und ich bin Polizist. Selbst wenn ich es wollte, könnte ich nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, weil ich in der ganzen Angelegenheit das kleinste Rädchen im Getriebe bin. Eines, das zu tun hat, was andere anordnen, und zwar so lange, bis diese Anderen entscheiden, dass Schluss ist.« Er sah die verkniffene Staatsanwältin vor sich, die ebenso pedantisch wie gleichgültig wirkte, oder Böhm, der sich vor allem für seine Karriere interessierte und ganz gewiss keinen Gedanken an den Seelenfrieden der Hiddenseer verschwendete.
    Pieplow füllte Kaffee in zwei Becher, setzte sich wieder neben sie und sah an ihr vorbei aus dem Fenster.
    »Ich erzähle dir einfach erstmal, was ich erfahren habe«, fuhr sie fort, als er schwieg. »Vielleicht verstehst du dann auch mich besser.« Manches von dem, was nun kam, kannte er schon. Anderes war neu und brachte mehr Verwirrung als Klarheit in die Geschichte.
    »Als Kinder waren sie unzertrennlich, sagt Fine, und als junge Frauen immer noch beste Freundinnen. Deswegen wird Irma Duve von allen, die noch am Leben sind, am ehesten wissen, was damals passiert ist. Möglicherweise sogar, wer der Vater von Lissis Kind ist und warum sie ihn nie genannt hat. Gemunkelt wurde damals, es könnte einer der Schlesinger-Söhne...«
    »Das gibt’s doch nicht!« Pieplow schlug mit der flachen Hand auf die Sessellehne. »Als wenn ich’s geahnt hätte!«
    »Woher eigentlich? Gab es noch andere Hinweise außer diesem einen Bild auf der Hoteltreppe?«
    »Geahnt ist schon zuviel gesagt«, ruderte er zurück. »Außer Elisabeth Lambrecht auf diesem Foto vom Dornbusch gab es nichts, wo wir hätten einhaken können. Gar nichts. Also habe ich damit angefangen, nach ihr zu fragen. Daraus hat sich dann das andere ergeben. Dass sie schwanger war. Dass sie bei Nacht und Nebel verschwunden ist. Und dass dahinter ein Geheimnis steckt. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung, worauf das alles hinauslaufen soll.«
    »Und trotzdem schreibst du schön pflichtbewusst deine Berichte«, murmelte Marie, ohne ihn anzusehen.
    Nebenan wurde die Musik

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