Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
nicht besitzen kann.«
»Das sehe ich als Romantiker natürlich anders.«
»Ja«, sagte Claudia und lächelte Wallner mit ihren schwarzen Augen an. »Das ist schön. Du liebst sie noch immer.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schien nachzudenken. »Was ist mit uns? Was wollen wir voneinander?«
Wallner blickte von oben in sein Glas Dôle und sog das Bouquet ein. »Müssen wir das jetzt schon festlegen?«
»Was spricht dagegen?«
»Es besteht die Gefahr, dass ich dir einen Heiratsantrag mache. Du hast vielleicht schon mitbekommen, dass ich in Dingen des Herzens rigoros bin.«
Sie streichelte seine Hand. »Das wäre sehr romantisch.«
»Ich denke, wir sollten uns erst mal kennenlernen und dann entscheiden, was wir voneinander wollen.« Wallner nahm einen Schluck Wein und stellte bedächtig das Glas ab. »Und ob das überhaupt vernünftig ist – ich meine, als Kollegen.«
»Das wäre vollkommen bescheuert.« Sie nahm jetzt beide Hände von Wallner in die ihren und küsste seine Finger, die sich danach feucht anfühlten. »Kommst du mit hoch und hilfst mir mit der Minibar?«
Am Ende des Essens bat Claudia, den Betrag auf ihr Zimmer zu schreiben. Doch der Kellner teilte ihr mit, dass die Rechnung bereits beglichen war. Das hatte Wallner erledigt, während Claudia auf der Toilette war. »Du verdammter kleiner Spießer«, sagte sie zu Wallner. »Das hat dich bestimmt ruiniert.«
»Kein Problem. Die Minibar geht auf dich.«
Sie waren vor der Tür zu Claudias Suite. Schon im Aufzug hatten sie sich geküsst, nachdem die anderen Passagiere im ersten Stock ausgestiegen waren. Jetzt stand Claudia mit dem Schlüssel in der Hand da. Aber sie machte nichts und war wie erstarrt.
»Was ist?«, fragte Wallner.
Claudias Make-up war verschmiert, Tränen liefen durch das Kajal und malten kleine Straßen auf ihre Wangen, als sie Wallner ansah. Sie biss sich auf die Unterlippe. »Tut mir leid«, sagte sie. »Es kommen da gerade ein paar Dinge hoch. Es hat nichts mit dir zu tun. Aber …«, ihre Augen verengten sich, noch mehr Tränen ergossen sich über Claudias Gesicht, »… du solltest jetzt gehen.«
Zwanzig Minuten später legte sich Wallner auf das Bett in seinem kargen Zimmer und sah zur Decke. Er war verwirrt. Was war geschehen? Das Revers seines Jacketts roch nach ihr. Sandelholz und Patschuli. Und etwas, das sie selbst war. Es verursachte ihm einen Stich im Magen. Er wollte diesen Geruch wiederhaben.
Das Telefon klingelte.
»Clemens?«, sagte Claudias Stimme. Sie klang sanfter als sonst.
»Wie geht’s dir?«
»Gut. Ich hab bis vor fünf Minuten geheult. Es tut mir leid. Da ist irgend so ein sensibles kleines Mädchen in mir durchgebrochen. Aber das war nicht ich. Es tut mir wirklich leid.«
»Bist du sicher, dass das nicht du warst?«
»Doch. Schon. Ziemlich.«
»Ich nicht. Aber ich komm jetzt zurück. Okay?«
»Das wäre schön.«
31
W allner hatte Kopfschmerzen und eine volle Blase. Sie hatten gestern Nacht noch die Minibar dezimiert. Er wollte aufstehen, aber Claudia schlang ihren weichen Arm um seinen Bauch und ein Bein um seine Hüfte, gab einen grunzenden, zufriedenen Laut von sich, und es schien, als lächle sie. Sie sah friedlich aus und schön. Und es fühlte sich gut an, wenn sich ihr Bauch beim Einatmen an seine Rippen drückte.
Wallner legte die freie Hand unter seinen Kopf, sah zur Decke und lauschte auf die Geräusche, die von draußen kamen. Es dämmerte, und man hörte von weit weg Straßenlärm. Claudias Kopf regte sich auf seiner Brust. Sie öffnete halb die Augen, stützte sich mit einer Hand auf seiner Brust ab, richtete sich auf, strich eine schwarze Haarsträhne aus ihrem Gesicht, realisierte, wo sie war, und lächelte Wallner verschlafen an.
Sie ließen sich das Frühstück aufs Zimmer kommen, aßen Müsli, Knäckebrot und Lachs, tranken Kaffee und krümelten das Bett voll. Und immer wieder fassten sie sich an, als hätten sie Angst, der andere könnte davonfliegen.
Claudias Suite war groß und mit Blick auf den See, der in der Morgensonne lag, dahinter Berge wie frisch mit Puderzucker bestreut. Die Einrichtung war gediegen, feudal, aber nicht ungemütlich und zeugte davon, dass die Gäste des Hauses nichts von Designspielereien hielten.
»Warum gehst du ausgerechnet hierher?« Wallner pellte sorgsam sein Frühstücksei ab.
»Weiß nicht. Ist eigentlich nicht mein Stil. Aber ich bin mit Karl und Simone immer hier abgestiegen. Ich muss nicht bezahlen. Das
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