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Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Totensonntag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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redest du? Wer sind die Leute auf dem Foto?«

37
    Sommer 1939
    D er Sommer war heiß, und in der Hauptstadt herrschte nervöser Betrieb. Das Deutsche Reich hatte sich in den letzten fünfzehn Monaten Österreich und die Tschechei einverleibt und war insgeheim mit Stalin übereingekommen, dass man sich Osteuropa untereinander aufteilte. Am Ende des Sommers würde es Krieg geben.
    Wesentlich beschaulicher verging der Sommer im bayerischen Voralpenland. Doch auch hier gab es Verwerfungen. Anfang Juli fuhr der wohlhabende Bauer Ägidius Haltmayer aus Dürnbach wie jeden Dienstag nach München, um sich dort mit seiner Geliebten Edith Jonas zu treffen. An diesem Dienstag aber gab sich Edith wortkarg und niedergeschlagen, was nicht ihre Art war.
    Auf Nachfrage von Haltmayer sagte sie: »Ägidius – ich muss fort. Ins Ausland.«
    »Warum?«, fragte Haltmayer. »Ich sorge hier für dich. Du musst nicht weg.«
    »Man hat mir nahegelegt, Deutschland zu verlassen.«
    »Elende Saubande«, sagte Haltmayer.
    »Ich habe eine große Bitte«, fuhr Edith fort. »Ich kann Frieda nicht mitnehmen. Kann sie bei dir bleiben?«
    Haltmayer zögerte kurz. Er musste an seine Frau denken. Doch er sagte zu, und schon in der Woche darauf kam die achtzehnjährige Frieda Jonas nach Dürnbach auf den Hof. Sie gefiel Ägidius Haltmayer, denn sie war hübsch und selbstbewusst mit einem Hang zur Hochnäsigkeit. Er mochte Menschen, die sich nicht verbiegen ließen. Auch der Gedanke, den Nazis ein Schnippchen zu schlagen, erfüllte Haltmayer mit Genugtuung.
    Seiner Frau sagte Haltmayer, das Mädchen sei eine entfernte Nichte. Es interessierte Frau Haltmayer nicht. Sie wusste, dass ihr Mann sie betrog, und hatte sich damit abgefunden. Sie spielte mit, um wenigstens kein Gerede im Dorf zu haben.
    Nach kürzester Zeit hatte Frieda Haltmayers Herz erobert, und er trug sich mit dem Gedanken, sie zu adoptieren. Seine Frau hatte ihm keine Kinder geschenkt, und er wünschte sich einen Erben.
    Nicht nur Ägidius Haltmayers Herz hatte Frieda erobert. Auch einer der Knechte des Hofes, Albert Kieling, verliebte sich in die schöne junge Frau, sehr zum Verdruss der Wirtstochter Elisabeth Muhrtaler, die sich Hoffnungen auf den attraktiven Burschen gemacht und ihn sogar schon geküsst hatte. Albert war an sich weit unter ihrem Stand. Seine Eltern waren Tagelöhner und hatten ihn als Kind weggegeben. Aber er war ein Prachtstück von einem Mann, groß, gut gebaut, und er war nicht dumm, sondern im Gegenteil von so scharfem Verstand, dass er es zum Lieblingsknecht des Haltmayerbauern und zu dessen rechter Hand gebracht hatte. Und deswegen fühlte sich nicht nur Elisabeth Muhrtaler, sondern auch Frieda zu Kieling hingezogen.
    In einer warmen Nacht im August klopfte jemand an die Fensterscheibe von Friedas Kammer. Es war Albert Kieling, der Einlass begehrte. Frieda öffnete nach nicht allzu langem Zögern dem feschen Knecht ihr Kammerfenster.
    Die jungen Leute gaben sich ihrem Verlangen hin und konnten wohl nicht ganz verhindern, dass ihr Liebesspiel in dem nächtlichen Bauernhof Geräusche machte. Mit einem Mal wurde die Kammertür aufgerissen. Ägidius Haltmayer stand im Zimmer und bebte vor Zorn.
    »Du elendiglicher Lump!«, schrie er Kieling an. »Wie einen Sohn hab ich dich aufgenommen. Und das ist der Dank! Dass du dieses Kind schändest!«
    Kieling stand sprachlos da, knöpfte seine Hose zu und wartete, dass Frieda etwas sagte.
    »Hat er dir Gewalt angetan?«, fragte sie der Bauer. »Hab keine Angst, der wird dir nichts mehr tun.«
    Frieda spürte den Zorn des Bauern, und sie hatte Angst. Denn außer Haltmayer hatte sie niemanden mehr auf der Welt. Und als Haltmayer noch einmal fragte: »Hat er dir Gewalt angetan?«, da nickte Frieda und weinte.
    Kieling wurde vom Hof gejagt, und nur der Umstand, dass Haltmayer bei den Nazi-Autoritäten nicht gut gelitten war, bewahrte ihn vor einer Anzeige wegen Vergewaltigung.

    Der geplante Einmarsch in Polen rückte näher, und die Nervosität stieg in Berlin. Jetzt kam die Zeit der Bewährung. Und die Zeit, in der man sich beim Führer und in der Partei in Stellung bringen musste. Daher kam es für einen der ehrgeizigen Abteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt ausgesprochen ungelegen, als sein Bruder, der bei der Gestapo arbeitete, ihm hinterbrachte, es gebe ein delikates Problem. Ein SS-Anwärter namens Albert Kieling habe gemeldet, in einem oberbayerischen Dorf namens Dürnbach halte sich eine junge Frau auf, deren

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