Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
Stunden mehr oder weniger, das ist auch schon egal.«
»Hauptsache, man hat unterhaltsame Gesellschaft, nicht wahr?«, sagte Wallner etwas spitz.
»Was meinst jetzt damit?« Manfred war verunsichert. »Ach so, die Kollegen! Jaja. Alle sehr nett. Wirklich nett.«
Karin Wallner hatte das Abendessen schon auf dem Tisch, als Ehemann und Enkel eintrafen.
»Tut mir leid, dass es so spät geworden ist.« Manfred gab ihr einen Kuss. »Aber ich hab Überstunden machen müssen.«
»So, so. Überstunden.«
»Ja. Hab ich doch heut Morgen gesagt. Da ist ein Riesenauftrag hereingekommen.«
»Aha.« Karin sah ihren Mann mit einer gewissen Schärfe an. »Vorhin haben die von der Papierfabrik angerufen. Du hast deine Lesebrille vergessen. Sie wollten es dir nur sagen, damit du weißt, wo sie ist.«
»Ach, da ist die! Ja, danke.« Manfred setzte sich an den Tisch. »So, jetzt essen mir mal.« Er wollte sich über die Kohlrouladen hermachen. Aber Karin war noch nicht fertig.
»Ich hab mich natürlich gewundert, weil ich hab gedacht, du bist noch in der Fabrik. Du hast ja gesagt, du machst Überstunden. Aber du warst nimmer da.«
»Äh … ja, das ist richtig.« Manfred lud sich eine Roulade auf den Teller.
»Wo warst du dann?«
»Ja, ich geb’s zu.« Manfred nahm Karins Hand. Karin sah ihren Mann gespannt an. »Ich … ich war mit dem Clemens noch a Bier trinken.« Unter dem Tisch trat Manfred Wallner gegen das Schienbein. »Ich hab gedacht, es is a bissl blöd, wenn mir ohne dich was trinken gehen. Und deshalb hab ich gesagt, Überstunden. Wir wollten einfach mal a Männergespräch führen.« Manfred hob entschuldigend die Hände.
»Wir waren ein Bier trinken?« Wallner sah seinen Großvater übertrieben erstaunt an.
»Ja-ha«, presste Manfred hervor und trat Wallner noch einmal gegen das Schienbein. »Um a bissl zu reden.«
»Ich glaub, ich werde alt. Ich kann mich überhaupt nicht dran erinnern.«
»Du kannst dich nicht daran erinnern, dass du mit dem Opa heute Abend ein Bier getrunken hast? Wie gibt’s das denn?«
»Ja, das frage ich mich auch«, sagte Wallner und blickte Manfred mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Weil … na ja … des is, weil …«, stotterte Manfred. »Weil mir waren ja net wirklich a Bier trinken.«
»Jetzt wird’s interessant.« Karin stützte das Kinn auf ihre Hände.
»Weil ihr mich nie ausreden lassts. Mir waren Dings … verabredet, verstehst? Verabredet zum Biertrinken. Aber der Clemens ist nicht gekommen.«
»Wir waren verabredet? Seltsam. Da kann ich mich auch nicht dran erinnern.«
»Ja, logisch. Sonst wärst ja gekommen. Du hast es vergessen. Oder net g’scheit zugehört. Und deswegen … hab ich halt allein a Bier trinken müssen.«
»Jetzt versteh ich’s!«, sagte Wallner.
Karin verdrehte die Augen.
Wallner schnupperte an Manfred. »Was war denn das für ein Bier? Man riecht gar nichts.«
»Des … des hat net viel Alkohol gehabt. Ich hab auch nur an Schluck getrunken.«
»Zwei Stunden lang nur einen Schluck Bier?« Karin schüttelte mitleidig den Kopf. »Des muss a fader Abend gewesen sein.«
Manfred zuckte lachend mit den Schultern.
Wallner schnüffelte erneut. »Das Bier riecht irgendwie nach Seife. Oder wart mal … du riechst nach Seife.«
»Ich hab halt geduscht nach der Arbeit.«
»Du duschst doch immer hier«, wunderte sich Karin.
»Heut eben nicht. Man muss ja auch mal was Neues ausprobieren. Net nur die alte Leier immer wieder rauf und runter. Heut hat’s mich halt gefreut, dass ich mal direkt nach der Arbeit dusch. Aber gut, wenn das nicht gewünscht wird, dann … dann dusch ich in Zukunft wieder zu Hause.«
Ein Anruf von Herrn Lendtrock entspannte die Situation ein wenig. Er hatte versehentlich ein Fenster offen gelassen, und der Föhn hatte ihm sämtliche Unterlagen in seinem Büro durcheinandergeblasen. Nun brauchte er Karins Hilfe beim Aufräumen.
»Er ist in diesen Dingen a bissl hilflos«, sagte Karin zur Entschuldigung und machte sich auf den Weg.
»Was war denn das für eine Nummer?«
Wallner war ernsthaft erbost über das Verhalten seines Großvaters.
»Auf die Schnelle is mir nix anderes eingefallen. Hättst mir auch a bissl helfen können.«
»Ich weiß ja nicht einmal, wobei.« Wallner setzte einen erwartungsvollen Blick auf.
»Also gut. Die G’schicht is die: Ich hab noch kurz bei der Frau Höbermann vorbeigeschaut.«
»Ach, tatsächlich. Bei der Höbermann Resi. Und?«
»Na ja – deine Oma war da immer schon a
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