Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
meistgesuchten Naziverbrecher. Auch bekannt als Schlächter von Mauthausen .«
Kieling nahm einen Schluck Kaffee und schüttelte sachte den Kopf. »Tatsächlich? Das habe ich nicht gewusst. Er machte einen ausgesprochen netten Eindruck. Wer weiß, ob das auch immer stimmt, was von den Leuten behauptet wird.«
»Tja, gerade über die SS wird ja viel erzählt, was angeblich gar nicht wahr ist. Sie haben von irgendwelchen SS-Verbrechen während Ihrer aktiven Zeit nichts mitbekommen?«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich bei der SS war. Aber ich habe gehört, dass es immer wieder SS-Leute gab, die sich nicht korrekt verhalten haben. Die Nervenanspannung haben wohl einige nicht ausgehalten. Und es waren sicher auch Sadisten darunter. Aber das kann man in einer Organisation von mehreren hunderttausend Menschen nicht verhindern. Gibt es bei der Polizei keine Sadisten? Bei der Bundeswehr? Beim Gefängnispersonal?«
»Sie können sich denken, dass Ihre Urlaubsbekanntschaft ein Gericht nicht eben für Sie einnehmen wird.« Lukas machte sich eine kurze Notiz. »Kommen wir zu dem, was wir gerade im Zusammenhang mit Ihrer Person ermitteln. Wo waren Sie am zweiten Mai 1945?«
»In Berlin. Wir waren in heftige Straßenkämpfe mit der Roten Armee verwickelt.«
»Die sehr verlustreich endeten. Schon klar. Jetzt mal im Ernst: Es gibt genug Leute, die Sie gesehen haben. Und zwar in Dürnbach, in der Uniform eines SS-Hauptscharführers. Sie waren auf der Suche nach einer entflohenen Gefangenen.«
»Wen meinen Sie mit genug Leute? Die Muhrtalerin? Viel Spaß, wenn Sie die als Hauptbelastungszeugin vor Gericht schicken. Die kann sich ja kaum erinnern, wie sie heißt.«
»Lassen Sie die Zeugen mal unsere Sorge sein«, übernahm Höhn wieder die Leitung des Gesprächs. »Sie haben in Begleitung eines anderen SS-Mannes an dem Tag einen SA-Rottenführer mit einem Trupp Volksstürmern angewiesen, die flüchtige Frau zu suchen. Sie hieß Frieda Jonas.«
»Ich kann mich daran nicht erinnern. Das muss eine Verwechslung sein. Wer sagt denn so was?«
»Haben Sie die Frau gefunden?«
»Wie gesagt – ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich sie gesucht hätte.«
»Jetzt hören Sie endlich auf, uns anzulügen!« Höhn wurde laut. »Frieda Jonas hat damals, vor dem Krieg, gesagt, Sie hätten sie vergewaltigt. Sie hatten allen Grund, sie zu töten. Deswegen waren Sie hinter ihr her!«
»Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen – ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
Höhn war mit seinem Latein am Ende und sah hilfesuchend zu Lukas.
»Auf der Klingel von Uwe Becks Haus haben wir diverse Fingerabdrücke gefunden, ebenso im Haus«, begann Lukas. »Wir werden Sie nachher um Ihre Fingerabdrücke bitten. Ebenso um eine DNA-Probe. Das ist eine neue Methode, von der Sie vielleicht schon gehört haben. Tut nicht weh. Wir brauchen nur ein Haar.«
»Was hat meine angebliche SS-Vergangenheit mit dem Tod von Uwe Beck zu tun?«
»Wir konnten in der Zwischenzeit einen Zeugen auftreiben, der Ihren Wagen vor dem Haus von Beck gesehen hat. Das war an dem Abend, an dem Beck vermutlich ermordet wurde.«
»Ich weiß nicht mehr, an welchem Tag es war. Aber Beck hatte bei uns angerufen und meiner Frau gesagt, er hätte eine interessante Information für mich. Ich habe versucht, ihn zurückzurufen. Aber er hat nicht abgehoben. Er war ja sehr seltsam in diesen Dingen. Ich wusste nicht, was er mir sagen wollte. Aber ich war neugierig und bin hingefahren.«
»Vielleicht wollte er Geld dafür, dass er die Fotos mit Aribert Heim nicht an die Polizei schickt?«
»Oh ja, klar. Ich bringe den Mann um, lasse aber die Fotos da, damit die Polizei sie neben der Leiche findet – oder wo immer sie waren.«
»Täter tun oft die unsinnigsten Dinge. Vielleicht wollte er sie auch mit etwas anderem erpressen. Nämlich mit Beweisen für den Mord an Frieda Jonas.«
»Abgesehen davon, dass es solche Beweise nicht geben kann – also jedenfalls keine, die mich belasten –, abgesehen davon scheinen diese Beweise verschwunden zu sein. Sonst hätten Sie sie mir längst vorgelegt.«
»Das haben Sie richtig erkannt. Es gab einen Ordner mit Fotos und Dokumenten aus dem Jahr 1945. Und dieser Ordner ist verschwunden.«
»Das ist bestimmt sehr bedauerlich aus Ihrer Sicht. Aber dann würde ich mal nach dem Ordner suchen. Und wenn Sie was gegen mich finden – was nicht der Fall sein wird –, dann können wir ja weiterreden. Ich würde jetzt gerne gehen.«
»Danke, dass Sie
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