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Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Totensonntag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Haltmayer am Kragen und zog ihn von der Bank hoch. »Hör zu, alter Mann: Du sagst uns jetzt, wo sie ist, oder du fängst dir in letzter Minute noch eine Kugel, verstanden?«
    Ägidius Haltmayer schnaufte schwer. Kielings Pistolenlauf, der vor seinem Gesicht auftauchte, machte ihm Angst. Gleichzeitig stieg Hass in ihm auf. Gegen den Mann, dem er einst vertraut und den er fast zu seinem Sohn gemacht hatte. Gegen den Mann, der Frieda umbringen wollte, die ihm das Schicksal vor zwei Stunden so unverhofft zurückgebracht hatte.
    »Schieß doch, du Hund«, sagte Ägidius Haltmayer. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sein Neffe Sebastian unruhig wurde. Offenbar traute er es Kieling zu.
    Aber Kieling war nicht dumm. Und zu diesem Zeitpunkt und vor vielen Zeugen einen künftig wieder angesehenen Bürger der Gemeinde zu erschießen wäre mehr als dumm gewesen. Selbst der verstockteste Fanatiker dachte in diesen Tagen daran, wie es nach dem Krieg weitergehen würde. Kieling stieß den alten Bauern auf die Bank zurück und wandte sich an den jungen Haltmayer.
    »Rottenführer, Sie suchen mit zwei Mann die unmittelbare Umgebung ab. Ich würde mir vor allem den Kreuzhof vornehmen.« Kieling deutete auf das dreihundert Meter entfernte Anwesen. »Steht der immer noch leer?«
    »Jawoll, Hauptscharführer. Alles wie damals. Schätze, die zum Hof gehörende Kapelle wär ein gutes Versteck.«
    Kieling gab Sebastian Haltmayer ein knappes Zeichen mit dem Kopf, dass er abrücken solle. »Der Rest durchsucht mit mir diesen Hof.« Kieling, Lohmeier und die Volkssturmleute begannen auszuschwärmen.

    Sebastian Haltmayer und zwei der Burschen vom Volkssturm marschierten mit zackigem Schritt auf den leerstehenden Hof des Kreuzbauern zu. Sie machten sich über Wohnhaus, Scheune und die Kapelle her und versammelten sich nach einer halben Stunde wieder vor dem Haus. Die beiden jungen Männer schüttelten die Köpfe.
    »Bluatssauerei!«, schrie Haltmayer in die Frühlingsluft, und seine Buben zuckten erschrocken zusammen.
    »Schreien hilft net«, sagte eine Stimme, die vom Zufahrtsweg kam. Dort stand ein mittelalter, rotblonder Mann mit dem Gesicht eines Vogels und einer Kamera um den Hals. Gerhard Beck.
    »Was ist denn? Musst dich wieder wichtigmachen?«, sagte Haltmayer, der, wie jeder im Dorf, Beck und seine detektivischen Ambitionen kannte.
    »Ich dräng mich net auf. Interessiert dich wahrscheinlich auch net, dass dein Onkel heut Morgen schon an Motorradausflug gemacht hat.« Beck wandte sich ab und watschelte zur Dorfstraße zurück.
    »He, he, he! Wart mal!«
    Beck blieb zögerlich stehen und drehte sich sehr langsam um. »Hast vielleicht doch eine Frage?«
    »Hör auf mit dem Getue. Was war des? Mein Onkel hat heut Morgen was gemacht?«
    »Mit seinem Motorrad ist er weggefahren. Und nach zwanzig Minuten wiedergekommen.«
    »Und?«
    »Wie er gefahren is, hat er a Frau im Beiwagen gehabt. Die war aber nimmer dabei, wie er zurückgekommen is.«
    Sebastian Haltmayer ging auf Beck zu und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wissen mir vielleicht auch, wo mein ehrenwerter Onkel Ägidius hingefahren ist?«
    »Dein ehrenwerter Onkel Ägidius hat was gesagt, wie sie weggefahren sind. Klang wie Sakerer Gütl«, sagte Beck und nickte still in sich hinein.
    Haltmayer machte sich ohne ein Wort des Dankes mit seiner Entourage auf den Weg. Beck witterte lohnende Fotomotive und folgte den dreien.

43
    F rieda hatte Blut und Wasser geschwitzt, als der SA-Mann mit seinen Volkssturmleuten vor dem Sakerer Gütl Schießübungen veranstaltete. Doch schließlich waren sie abgezogen, und nur der eine Junge war dageblieben, den sie in den Keller gesperrt hatten. Irgendwann würden sie wiederkommen und ihn holen. Aber dann wäre der Krieg vorbei, wie einer seiner Kameraden gesagt hatte.
    Frieda saß auf einem verstaubten Stuhl und sah auf ihre dürren Waden, die hervortretenden Knöchel und ihre Füße, die in viel zu breiten Schuhen steckten, dann wieder nach draußen durch das kleine Fenster mit den zwei senkrechten Gitterstäben, die vor den Fenstern der meisten alten Höfe waren. Sie behielt den Feldweg im Auge, der aus dem Wald kam und zum Hof führte. Jede Minute, die verging, ohne dass jemand dort auftauchte, brachte sie dem Überleben näher.
    Was wohl mit Albert Kieling geschehen war? Hatten ihn die Amerikaner gefangen? War er geflohen? Oder war er ihr tatsächlich gefolgt? Dann musste er längst in Dürnbach sein.
    Sie hoffte inständig, das erste

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