Totenstadt
deswegen schon schlaflose Nächte zu bekommen. Vielleicht muss ich mir deswegen ja überhaupt keine Gedanken machen.«
Sie gab ihm einen Knuff gegen den Kopf. »Das ist nicht witzig.«
Nein; nein, das war es wahrscheinlich nicht. Zumindest nicht für April. Er rollte sich vom Bett und kam auf die Füße, dann streckte er sich, während seine beginnende Erektion zu pochen begann. Immer musste sie ihn verraten.
»Wer kommt mit mir unter die Dusche?«, fragte er.
April reckte sich über seine nun leere Bettseite, schloss mit leicht verzerrtem Gesicht die Augen und schlang die Arme um seine Hüfte, dann zog sie ihn eng an sich, bis ihre Wange an seiner Hüfte lag, und ihr suchender Mund fand sein Ziel. Er ließ es geschehen, voller Verlangen, voller Erschaudern, und sie musste nichts weiter sagen, um ihn an das Verlustgefühl zu erinnern.
Aber diese Tage des sinnlichen Deliriums waren nicht von Dauer. Denn eines Tages musste einer von ihnen den Katzenjammer der sexuellen Exzesse überwunden haben und sich fragen, was sie in diesem Bett eigentlich zu suchen hatten. Wovor liefen sie weg, wohin wollten sie und welches Ziel würden sie nie erreichen, weil man in der Horizontale nicht sehr weit vorwärtskam?
Und so war Justin bereit, als Moreno am späten Dienstagmorgen eintraf. Er war willig.
Dieses Mal war er gefahren, die Nacht hindurch von Miami, und er sah so mitgenommen und ausgebleicht aus wie das Leder seiner Bomberjacke. Kaffee und Adrenalin hatten jedes Kapillargefäß in seinen Augen anschwellen lassen. Er rief Justin nach draußen, um ihm am Kofferraum des Sedan zu helfen.
»Warum sind Sie dieses Mal gefahren?«, wollte Justin wissen.
»Darum«, erwiderte Moreno und drückte einen der beiden flachen Koffer in Justins Hand. Den anderen trug er selbst, genauso wie seine Reisetasche aus weichem Leder. »Aufgrund meines Jobs kann ich mit einer Pistole fliegen, wenn ich Vorbereitungen treffe. Aber dieses Mal dachte ich, ich sollte mein Glück lieber nicht überstrapazieren.«
Sie trugen sein Gepäck in Christophes Zimmer und warfen alles auf ein Bett. In der Ledertasche befanden sich größtenteils Kleidung, Schuhe und Toilettenartikel, in den anderen beiden kam ein kleines Waffenlager zutage. Moreno verteilte die Pistolen, als wären es Gastgeschenke. Die in Justins Hand fühlte sich vertraut an, wie ein Händedruck aus einer lange vergangenen Zeit.
»Sie sagten, Sie mögen Berettas«, meinte Moreno zu ihm. »Das ist dasselbe, eine Taurus, dieselbe Fabrik in Brasilien. Die einzige Beretta, die ich besitze, lässt sich zu mir zurückverfolgen. Das gilt für diese Schätzchen hier nicht.«
April drehte eine kleinere Automatik in ihren Händen und machte sich schweigend mit ihr vertraut. Granvier wollte seine an Moreno zurückgeben.
»Ich würde lieber drauf verzichten«, meinte er.
Moreno drückte sie gegen Granviers Brust. »Widersprechen Sie mir jetzt nicht, okay, Christophe? Nehmen Sie sie einfach. Ich hoffe sowieso, dass wir die Dinger gar nicht brauchen werden. Sehen Sie es als reine Vorsichtsmaßnahme.«
Als Justin die Waffe zurückgegeben hatte, verkündete Moreno, dass es Zeit für eine Konferenz sei, dann ließ er sich auf einen der Stühle fallen. Er streckte sich und legte seine Beine aufs Bett, dann seufzte er inbrünstig und massierte sich mit hochgezogenen Augenbrauen die müden Lider. Christophe brachte ihm einen kalten, feuchten Waschlappen, den er längst gefaltet hatte. Moreno drapierte diesen über seinen Augen, drückte dagegen und lächelte gequält.
»Mmmm. Besser.« Er beugte den Kopf zurück über die Lehne und sprach in Richtung Decke, während er mit der Hand in Richtung desjenigen zeigte, mit dem er reden wollte. Zuerst kam Justin an die Reihe: »Sie hatten recht mit Ihrer Vermutung, für wen ich früher gearbeitet habe. Ich war gestern in Langley, um meinen Einfluss überall spielen zu lassen und Zugriff aufs Computernetz zu bekommen. Ich wollte herausfinden, ob es irgendetwas über diese Kerle gibt, das wir zu unserem Vorteil verwenden können.« Und dann die niederschmetternde Erkenntnis: »Es war reine Zeitverschwendung. Nathan Forrest sieht so solide aus, wie man nur sein kann. Ich habe nichts gefunden, was sich ausnutzen ließe. Und jemand wie der lässt sich nicht bluffen.«
Justins Mund wurde ganz trocken. Er sah auf die verstreut auf dem Tisch liegenden Pistolen. Warum ersparen wir ihm dann nicht einfach die Mühe? Selbstmordpakt in einem Gretna-Motel,
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