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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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mitzuteilen.
    Er wählte die Nummer der Telefonzentrale von Mullavey Foods und fühlte sich ausgesprochen verletzlich, da er nicht einmal die Durchwahl kannte. Ihm wurde eine weitere Schicht seiner Identität geraubt, vielleicht war es aber auch nur die Fassade.
    Er wurde zur Vorstandsebene durchgestellt, dann aber von jemandem abgewiesen, den er für Mullaveys Privatsekretärin hielt.
    »Es tut mir leid«, bekam er zu hören, »aber Mr Mullavey darf nicht gestört werden. Wenn Sie Ihre Nummer hinterlassen …«
    »Stören Sie ihn. Er wird es Ihnen danken.« Er war nicht in der Stimmung für Diplomatie. »Glauben Sie mir, er will den Anruf annehmen. Das garantiere ich Ihnen. Sagen Sie ihm einfach, es ist sein toller Copywriter aus Tampa.«
    Ein empörtes Seufzen drang an sein Ohr, dann ein kurzes Schweigen, bis er ohne eine höfliche Vorwarnung in die Warteschleife gestellt wurde; wie reizend. Er wartete eineinhalb Minuten, und dann: »Mr Gray?« Mullaveys Stimme klang abwartend und vorsichtig.
    »Ich gebe mich der Illusion hin, dass ich Ihnen am vergangenen Wochenende das Leben zur Hölle gemacht habe«, erwiderte Justin, »da Sie nicht wussten, wo ich war oder was ich vorhabe. Sagen Sie mir nicht, dass ich mich geirrt habe.«
    »Es tut mir leid … aber ich kann Ihnen leider nicht ganz folgen, Mr Gray.«
    »Ach, verdammt, A.J., Sie wissen ganz genau, wovon ich rede, also spielen Sie nicht das Unschuldslamm, o.k.? Ich bin es nämlich langsam leid.«
    Jedes einzelne Wort des Mannes klang, als sei es sorgfältig abgewogen und moduliert; er würde natürlich nichts verraten, nicht, wenn er die Möglichkeit in Betracht ziehen musste, dass der Anruf mitgeschnitten wurde.
    »Was wollen Sie, Mr Gray?«
    »Ich möchte mich heute Nachmittag unangenehmerweise mit Ihnen treffen. Wäre Ihnen fünfzehn Uhr recht? Verschieben Sie Ihre Termine, falls es Ihnen nicht passen sollte.« Moreno hatte gesagt, er solle eine Zeit nehmen, zu der nicht so viel los ist und keine Gäste zum Mittag- oder Abendessen anwesend waren. »Wo wir uns treffen, erfahren Sie jetzt noch nicht. Ich werde Sie zwanzig oder dreißig Minuten vorher anrufen und es Sie wissen lassen. Wir müssen einen Waffenstillstand aushandeln, Sie und ich, und ich weiß, dass Sie im Moment nichts zu sagen haben, was so klingt, als würden Sie dem, was ich zu sagen habe, zustimmen, also halten sie einfach die Klappe und hören Sie mir zu.«
    Er stellte sich vor, wie Mullavey am anderen Ende der Leitung saß, gefangen hinter seinem Mammutschreibtisch, schwitzend, er würde seine Krawatte lockern und war kurz davor, hochzugehen; er sah es deutlich vor sich.
    »Ich habe etwas gegen Sie in der Hand, und ich glaube, wir sollten uns treffen, damit Sie mich davon überzeugen können, diese Karte nicht auszuspielen. Aber vergessen Sie nicht … das kann ich auch aus dem Grab noch tun, falls es so weit kommen sollte. Können Sie mir folgen?«
    Am anderen Ende war nichts als Schweigen und schweres Atmen.
    »Also lassen Sie mich noch ein Wort sagen, bevor wir uns vorübergehend verabschieden: Medien. Gefällt Ihnen der Klang dieses Wortes?«
    »Ich glaube«, erwiderte Mullavey, »wir … können uns treffen.« Er klang, als würde er innerlich toben.
    »Ach, da wäre noch etwas. Falls Sie das Bedürfnis verspüren sollten, mit Ihrem Bruder zu sprechen, und auf die Idee kommen, Sie könnten meinen Bluff durchschauen, dann sollten Sie wissen, dass ich eine gute Fee auf meiner Seite habe. Sie wissen doch, was eine gute Fee ist, oder? Und ich meine damit keine Aschenputtelgeschichten.«
    »Ich … kann Ihrem Geplapper nicht folgen …«
    »Hören Sie sich um. Sie kennen doch gewiss jemanden, der den Begriff schon mal gehört hat.«
    Er legte auf. Man soll einem Arschloch nie die Chance geben, Luft zu holen.
    Justin ging hinüber in Granviers Zimmer, in dem Moreno seine Sachen vom Bett geräumt und sich darauf ausgestreckt hatte. Seine Augen öffneten sich und Justin drückte Aprils Hand.
    »Er ist offen für Verhandlungen«, verkündete Justin.
    Moreno verzog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. »Passen Sie auf, das ich nicht verschlafe«, sagte er und war zehn Sekunden später schon weggedämmert.
     
    April machte sich um Viertel nach eins allein auf den Weg; sie fuhr einige Blocks weit mit dem Mietwagen, um die Jackson-Avenue-Fähre über den Fluss zu nehmen. Sie rollte durch das Terminal und auf die Jackson, dann glitt sie durch die verfallenen Slums, bis sich der Anblick

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