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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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Gebet, dann ging er durch die schweren Türen hindurch in die heilige Stätte.
    Sie war errichtet worden, um den Sterblichen wie einen Zwerg erscheinen zu lassen, und zwei Reihen einfacher Säulen standen in ihrer Mitte. An jeder Längsseite befanden sich fünf Bogenfenster aus Buntglas, auf denen in dunklen Farben mittelalterliche Bilder prangten: eine majestätische, schwerttragende Gottheit, die die Kranken segnet, die Kaufmänner und die anderen Heiligen, während sie auf ewig von ihren getreuen Rittern begleitet wird, den Kreuzrittern des roten Kreuzes. Glänzende Engelsstatuen, Heilige und Märtyrer, die diesen Schrein der verzückten Furcht bewachten.
    Und er fragte sich, würde sein einfaches Gebet verloren gehen, bevor es überhaupt die Decke erreicht hatte?
    Es war Zeit für die Beichte, die nur samstagnachmittags abgenommen wurde; das hatte er auf dem Schild am Eingang gelesen. Vier Beichtstühle standen im hinteren Teil der Kathedrale; die Absolution war nur ein Gespräch entfernt. Er betrachtete die anderen Pilger – waren das alles Touristen? – und fragte sich, welche Sünden sie begangen hatten. Ich habe eine Stripperin angesehen und Lust verspürt; ich war betrunken.
    Er schob den Vorhang des hintersten Beichtstuhls beiseite, ließ ihn hinter sich zufallen und fiel auf die Knie. Diese klaustrophobischen Wände hatten gewiss noch keine kränkere Seele als seine eigene gesehen, und großer Gott, wenn er doch nur mit etwas von Wert wieder gehen oder zumindest einen Teil dieses tödlichen Impulses verlieren könnte.
    »Segnet mich, Vater«, sagte Justin, »ich glaube, ich werde eine Sünde begehen.«
    »Wie lange ist es her, dass du zuletzt gebeichtet hast?« Der Priester war eine vage Gestalt auf der anderen Seite der Trennwand, und anhand seiner Stimme ließ sich sein Alter nur schwer bestimmen.
    »Ich habe noch nie gebeichtet«, flüsterte er. »Ich bin nicht katholisch, ich wollte nur … ich brauche …«
    »Verstehe.« Die Stimme, die auf seine Seite drang, klang leicht melancholisch. »Welche Sünde gedenkst du zu begehen?«
    Justin zog die Taurus aus seinem Hemd und nahm sie in beide Hände, wo sie sich gut anfühlte. Natürlich. »Ich will jemanden töten. Ich will, dass er leidet. Und ich will dabei zusehen.« Als keine Antwort kam, fuhr er fort, und es gelang ihm nicht, den Schmerz in seiner Stimme zu unterdrücken. Konnten Tränen eine Waffe verrosten lassen? »Er hat … meiner Frau … den Verstand genommen. Einfach genommen. Sie ist noch am Leben, aber … aber er hat sie dennoch getötet.«
    Andächtige Stille, dann: »Wird sein Leben ihren Verstand zurückbringen?«
    »Nein, Sie wissen, dass es nicht passieren wird, wir beide wissen es, aber ich würde mich dann besser fühlen.«
    »Und wie lange?«
    Ein kräftiges Schniefen, dann wischte er mit dem Handrücken über seine laufende Nase und sackte gegen die Wand. »Das ist mir egal.«
    »Ein Jahr?«
    Justin brach in leises Lachen aus, damit hatte er nicht gerechnet. »Wahrscheinlich nicht.«
    »Also weniger als ein Jahr«, sinnierte der Priester. »Dann musst du dich wieder besser fühlen. Was kommt danach?«
    Er lachte erneut, er war so erschöpft, dass ihm alles wehtat. »Ich weiß es nicht, ich weiß nicht … weiß … nicht.« Er wischte sich erneut die Tränen ab, und ein wahnsinniges Lachen wartete nur darauf, aus seiner Brust hervorzudringen, und danach würde er vermutlich zusammenbrechen und nie wieder aufstehen. »Dieser Kerl ist ein böser Mann, Vater. Haben Sie eine Ahnung, wie sehr sein Tod der Menschheit dienen würde?«
    »Ich gestehe dir zu, dass du möglicherweise recht hast. Aber das zu beurteilen steht dir nicht zu, das kann nur Gott allein.«
    Sein Lachen vermischte sich mit Weinen, der Allmächtige hatte doch überall seine Hand im Spiel. »Ich will bloß meine Frau zurück, so wie sie früher war. Ich will, dass sie wieder ganz ist. Sie hat so hart dafür gearbeitet, so zu sein, wie sie ist, wie sie war …«
    »Glaube an Wunder. Sie geschehen jeden Tag.« Der Priester drehte sich um, ein verschwommener Umriss jenseits der Trennwand, und er beugte sich näher zu ihm. »Ist dies deine Heimat? Kommst du aus New Orleans?«
    »Nein.«
    »Dann geh nach Hause. Wo du gebraucht oder gesucht wirst. Ich kann dir sagen, dass du versuchen sollst, zu vergeben, aber selbst mit der Hilfe Gottes könnte es dir schwerfallen. Aber du kannst nach Hause gehen. Und eines Tages findet die Vergebung vielleicht in dein Herz. Viel

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