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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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vollbusige Dame mit haselnussbraunem Haar und engem blauen Diorkleid, die sagte, ihr Name sei Terri, zu bekunden.
    Die langbeinige Blonde namens Gretta fiel dann wohl Justin zu, und falls sie es Leonard übel nahm, dass er sie so einfach überging, so zeigte sie dies nicht. Professionelles Benehmen. Justin sah ihr kurz in die Augen und forschte nach ihrer Seele, aber er erblickte darin nichts weiter als die Schauspielerin. Ihr standen zwar nicht viele Rollen zur Auswahl, aber, oh, in diesen war sie ausgesprochen gut, und ihre Freude darüber, als Justins Gespielin auserkoren worden zu sein, kam beinahe rüber.
    Der moralische Morast tat sich direkt vor ihm auf. Das Leben konnte zuweilen sehr grausam sein in Bezug auf das, was es einem in den Weg stellte. Prostitution, Diskretion und Hormone, was für eine potente Kombination. Die eheliche Treue war als akademisches Konzept immer noch in Gebrauch und anerkannt, aber dies glich eher einem Grabenkrieg. Er hatte keinen Zweifel daran, dass diese germanische Schwedin, oder was immer sie auch war, sich drehen und wenden und ihn bis in unglaubliche Höhen reiten konnte. Und angesichts der letzten dreizehn Monate, die er ausschließlich mit einer kleinen asiatischen Amerikanerin verbracht hatte – was er auch den Rest seines Lebens zu tun gedachte –, war der ästhetische Reiz einer so unterschiedlichen Partnerin durchaus nicht zu verachten.
    Gute Ratschläge erteilende Teufelchen machten es sich auf seinen Schultern gemütlich, während ihre engelhaften Gegenstücke versuchten, gegen sie anzukommen.
    Scheiße. Hier konnte er nicht gewinnen. Wenn man das Richtige tat, kam man sich zuweilen wie der letzte Schlappschwanz vor. Was ihn auf die Idee brachte, wie er sich zumindest halbwegs ungeschoren aus der Affäre ziehen konnte.
    Justin erhob sich aus dem Samtsessel und stellte fest, dass Gretta in ihren hochhackigen Schuhen beinahe genauso groß war wie er. Wie würde sie in der Horizontale aussehen oder wenn sie sich auf einen Ellbogen stützte – ach, vergiss es, lass diesen Gedankengang lieber ganz schnell vorbei sein, sonst würde er doch noch Liebe mit einer völlig Fremden machen.
    »Das wäre nur peinlich für mich«, sagte er mit großem Bedauern und einer leicht mitklingenden Entschuldigung. »Eine alte Kriegsverletzung, tut mir leid. Sie verstehen doch?«
    Gretta blinzelte. Leonard drehte schnell den Kopf und sah völlig verwirrt aus. Terri schien es nicht weiter zu interessieren.
    Zumindest eine gute Sache hatte dieser Überraschungsangriff – er verschaffte ihm die Gelegenheit, ruhig den Raum zu verlassen, bevor irgendjemand eine Chance hatte, den Mund aufzumachen.
    Justin ging weiter. Man sollte immer aufhören, wenn es am schönsten ist.
     
    Er verbrachte den Rest der Nacht allein, ging draußen spazieren, bis er müde genug war, ins Bett zu gehen und den Tag hinter sich zu lassen. Nur noch eineinhalb weitere lagen vor ihm.
    Louisiana bei Nacht, das war völlig neu für ihn. Draußen hinter dem Haupthaus sahen die Bäume viel größer aus als zuvor, wie Vorboten einer weiteren Bedrohung. Das Lousianamoos wirkte zerzauster, und er hatte das Gefühl, in der Nähe einen Fluss riechen zu können. Ein uralter brauner Geruch nach Schlamm und Fisch, nach Sünde und Geheimnistuerei. So roch Geschichte, wenn man zwischen den Zeilen las.
    Er fand eine Hintertreppe, die ihn in den zweiten Stock brachte; einige Treppenstufen, die durch die jahrelange Feuchtigkeit verzogen waren, knarrten unter seinen Schuhen. Er fragte sich, wie alt dieses Haus sein mochte, wie viele Generationen ordentlich erzogener Gentlemen sich in dieser Höhle getroffen hatten, um Dollar, Land oder Ernteerzeugnisse auszutauschen. Waren hier Unfälle angeordnet worden, durch die ein Konkurrent umkommen sollte? Hatte man hier Ehen arrangiert, wobei die Tochter eines Pflanzers nichts weiter war als eine Ware, mit der man einen Handel mit einer anderen Familie besiegeln konnte? Hatte man auf diesem Rasen Duelle ausgefochten, sei es mit Säbel oder Revolver? Ruhten hier Leichen zwischen den Wurzeln tief in der Erde vergraben?
    Bettzeit. Er zog sich bis auf die Unterwäsche aus. Schaltete die Nachttischlampe aus und lag in der kühlen Nachtluft da. Fünf Minuten. Zehn. Fünfzehn. Er war dem Schlaf keinen Schritt näher, als er es zur Mittagszeit gewesen war.
    Er hatte eigentlich gedacht, seine Schlaflosigkeit im letzten Jahr endlich überwunden zu haben. Er wollte diesen Lebensabschnitt hinter sich

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