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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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respektiert und sagt, dass seine Frau eine glückliche Frau sein müsse. Nein, einfach bloß Eunuch.
    Plötzlich fielen Justin die Geräusche auf, die vom anderen Ende des Ganges aus Leonards Zimmer drangen. Da war die jammernde Stimme, die Terri gehörte, und eine andere, die ein heftiges Vokabular draufhatte. Leonard musste sich inzwischen schon wie der mächtige Conan persönlich fühlen.
    Justin zog das zweite Kissen auf seine Seite und drückte es auf sein freiliegendes Ohr. Der kommende Morgen schien noch Jahre entfernt zu sein.

9
Z U TIEF GETAUCHT
     
    Ob es nun Zufall oder Planung war, so schien Aprils Zeit nach ihrer Funktion geordnet zu sein. Die Wochentage waren für die Karriere gedacht, die entsprechenden Abende für die Ehe. Samstagmorgens frönte sie der mentalen und emotionalen Archäologie. Sie tauchte tief in ihr Herz, ihren Geist und ihre Seele, blies den Staub, den kürzlich oder vor langer Zeit geschehene Ereignisse hinterlassen hatten, fort, und setzte die zerbrochenen Teile wieder neu zusammen.
    »Er hat letzte Nacht angerufen. Spät. Sehr spät. Ich war schon fast eingeschlafen. Zuerst habe ich mir Sorgen gemacht, bis ich seine Stimme hörte. Ich dachte … Ich dachte, jemand würde mich anrufen, um mir zu sagen, dass ihm etwas zugestoßen sei.«
    »Und an was haben Sie da gedacht?«, wollte Dr. Gurvitz wissen.
    »Ich weiß nicht.« April grinste reumütig und blickte in ihren Schoß. Dann sah sie erneut auf. »Vielleicht, dass er nach all dieser Zeit wieder eine falsche Entscheidung getroffen hätte … mit jemandem fortgegangen war, mit dem er lieber nicht fortgegangen wäre … etwas Dummes getan hatte. Und dass nun jemand seine Angehörigen benachrichtigen musste.«
    »Aber es war nichts passiert, und es ging ihm gut. Waren Sie deswegen erleichtert?«
    »In gewisser Weise schon. Weil ich wusste, dass er … in Sicherheit ist.« Aber war es ihm wirklich gut gegangen? Nein. Justin ging es nicht gut, um genau zu sein. Da gab es einen Unterschied. »Er sagte, dass er einfach meine Stimme hören wollte.« Sie lächelte und erinnerte sich an den Ton seiner Stimme, sanft, leise und sehr weit entfernt, als versuche er, sie nicht weiter zu beunruhigen. In seiner Stimme fehlte etwas, das sie an Orten berührte, an denen sowohl die Liebe als auch die Furcht zu Hause waren.
    »Sie scheinen nicht völlig davon überzeugt zu sein, dass er aus diesem Grund angerufen hat. Hatten Sie das Gefühl, dass mehr dahintersteckte, dass er nicht einfach nur Ihre Stimme hören wollte? War es etwas, das er gesagt hat?«
    »Das ist alles, was er gesagt hat.« Aber da war mehr, da war doch immer mehr, wenn es um Justin ging, oder nicht? Und einiges davon, einige dieser Dinge, die direkt unter der Oberfläche lauerten, machten ihr die allergrößte Angst. April zog die Augenbrauen hoch, während sie nach unten blickte, als würde sie in eine tiefe Grube sehen. »Und ich glaube, ein Teil von mir hatte viel zu große Angst, zu fragen, ob da noch etwas war.«
    Sie ging jetzt seit etwas über einem Jahr zu Dr. Carole Gurvitz, sie hatte damit sogar schon vor dem Zeitpunkt angefangen, als Justin Tampa für einige Wochen verließ, um auf den Keys zu leben. In helleren Momenten neckte April ihn, dass sie ihm in Bezug auf die Suche nach der eigenen Seele, bei der man einen langen, schweren Blick in sein Innerstes wirft und sich dem stellt, was einem dort begegnet, einen Schritt voraus gewesen war. Es war zu dieser Zeit eine der schmerzhafteren Erkenntnisse gewesen, die sie gemacht hatte: dass sie dringend Hilfe brauchte. Das ist bei dir eine Kopfsache, hatte Justin ihr inmitten der ganzen Schießereien und Betrügereien im letzten Jahr gesagt, bei dieser letzten Frist, die die Zukunft so öde aussehen ließ wie einen ausgetrockneten Fluss. Eine Kopfsache? Sie hatte damals gedacht, dass jemand, der im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen sollte … aber er hatte auf grausame Weise recht behalten.
    Dr. Gurvitz war ihr von einer früheren Kollegin empfohlen worden, mit der sie einst in der Werbeabteilung der Tampa Tribune zusammengearbeitet hatte, einer Freundin, der Dr. Gurvitz geholfen hatte, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, nachdem sie von ihrem Ehemann immer wieder verprügelt worden war.
    April hatte Carole Gurvitz auf Anhieb gemocht. Sie musste etwa Mitte vierzig sein. Wodurch sie nicht direkt eine Gleichgestellte war, aber auch nicht gleich eine Mutterrolle innehatte. Sie trug immer eine große Brille mit

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