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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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lassen, dieses eine Jahr, oder waren es drei – wer zählte sie schon, wenn einen das Kokain stets versorgte, entweder durch die Nase oder finanziell? –, als Schlaf nichts weiter war als ein Ärgernis, dem man sich zwischen zwei Videos widmete. Seine eigene persönliche Tretmühle; er hatte sie selbst errichtet und konnte seine Augen nicht schließen, aus Angst, etwas zu verpassen.
    Nach konservativer Schätzung hatte Justin etwa neunzig frustrierende Minuten da gelegen, als er ein Knarren aus Richtung seiner Schlafzimmertür hörte. Sein Körper verspannte sich, seine Hoden zogen sich zusammen, und er rollte sich leise auf die Seite, sodass er die Tür sehen konnte. Seine Augen waren halb geschlossen und er stellte sich tot, als jemand die Hand auf den Türknauf legte, er konnte jeden Ton hören …
    Der Türknauf drehte sich …
    Das Fenster, er wäre innerhalb von zwei Sekunden aus dem Bett und durch das Fenster gesprungen, über die Landung würde er sich später Gedanken machen, wenn es so weit war …
    Die Tür öffnete sich, und es kam ihm seltsam vor, dass er zuvor nicht bemerkt hatte, wie gut geölt die Scharniere waren, denn alle Geräusche wurden in die Tür, die Mauern und in das Haus selbst aufgesaugt. Attentäter, die des Nachts kamen, würden sich sicher nicht von seinem laut klopfenden Herzen von ihrer Sache abbringen lassen.
    Ein Schatten bewegte sich und kam herein, und dann sah er sie neben dem Bett stehen. Im Mondlicht sah sie aus wie eine nordische Göttin. Er war ein bisschen erleichtert, dass sie augenscheinlich etwas weniger Schurkisches im Sinn hatte, als ihm zuvor durch den Kopf geschossen war.
    »Können Sie auch nicht schlafen, Gretta?« Seine Stimme hallte erschreckend laut durch das Zimmer. Das lag an dem ganzen Holz.
    »Oh. Sie sind wach.« Sie klang tatsächlich erschrocken.
    Er setzte sich auf. »Was wollen Sie?«
    »Ich dachte, ich könnte … wissen Sie … mich neben Sie legen und, ähm, Ihre Meinung ändern. Sie haben mir da unten ja gar keine Möglichkeit dazu gegeben.« Sie trug jetzt nichts als fast durchsichtige Dessous, wahrscheinlich bekam sie bei Victoria’s Secrets ordentlich Prozente, und sie machte ihm diese Sache mit der ehelichen Treue nicht wirklich leichter. Und er war sich sicher, dass sie noch einige venerische Überraschungen auf Lager hatte. »Schläfrige Männer sind viel leichter zu überzeugen. Was ist unser Problem?« Sie setzte sich auf die Bettkante und ließ den Augenkontakt nicht abbrechen, während sie ihre Hand unter die Bettdecke gleiten ließ. Eine Überprüfung, was trug er im Bett? Ah, Unterwäsche. Er zog scharf die Luft ein, als sie die Kriegsverletzung ein für alle Mal ins Land der Märchen beförderte.
    Und warum klang sie die ganze Zeit irgendwie so gezwungen? Wahrscheinlich war ihre schauspielerische Bandbreite doch sehr beschränkt. Oder sie war eventuell nicht daran gewöhnt, zurückgewiesen zu werden. Welcher Schwachkopf schlug einen kosten- und verpflichtungsfreien Sexbonus auf Firmenkosten einfach so aus?
    Er hielt ihre Hand fest. »Es gibt kein Problem. Ich habe einfach nur jemandem ein Versprechen gegeben. Ich habe so viele Versprechen gebrochen, dass ich nun sehen will, wie es ist, auch mal einige zu halten.« Er schob ihre Hand beiseite und, oh, sie strafte ihn bereits Lügen. Seine Erektion sprach ihre ganz eigene Sprache. »Hören Sie, ich werde Mullavey sagen, dass Sie es versucht und sich Ihre Bezahlung verdient haben. Wie wäre das?«
    Ein kurzes Aufflackern in ihren glänzenden Augen; es gefiel ihr offenbar nicht, an ihren Status und ihren Beruf erinnert zu werden. Sie war eben doch nicht die übermächtige Verführerin, und möglicherweise machte ihr das auch Angst, sie fürchtete vielleicht, ihre Anziehungskraft zu verlieren. Wie dem auch sei. Er hatte noch nie viel mit Leuten anfangen können, seien es Männer oder Frauen, die dachten, sie würden aufgrund ihres guten Aussehens jedes Mal die Oberhand gewinnen.
    »Tun Sie, was Sie wollen«, sagte sie und ging zur Tür. Und dann, über die Schulter hinweg: »Eunuch.«
    Und sie verließ das Zimmer sehr viel lauter, als sie es betreten hatte.
    Justin lag erneut einsam da. Die Nachtluft kam ihm jetzt aus irgendeinem Grund viel kühler vor, und er zog die Bettdecken höher. Das Bett kam ihm viel größer vor, oder er war kleiner geworden. Eunuch. Scheiße. So viel zu ehrlichen Bekenntnissen, nach denen die plötzlich menschlich gewordene Verführerin seine Integrität

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