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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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hinab auf den feuchten Fleck auf dem Teppich, der wie eine große dunkle Amöbe aussah. Er grinste. »Schicksal, was?«
    Napolean ließ ihn mit Tulia allein, die ihn nach oben führte. Er hoffte, dass er und Leonard wenigstens eigene Schlafzimmer zugewiesen bekommen hatten.
    Dann hätte er zumindest ein wenig Spaß.
     
    Andrew Jackson Mullavey tauchte auch in den nächsten zwei Stunden nicht auf, wodurch sie Zeit hatten, sich frisch zu machen, von der Reise auszuruhen … und in Justins Fall den leichten Rausch vom Scotch aus der Limousine zu überwinden. Sie hatten in der Tat getrennte Zimmer, und Justins lag fast den halben Gang von Leonards entfernt. Die Gästezimmer befanden sich einen Stock über den Quartieren der Dienstboten in einem separaten Flügel, und diese beiden glichen einem Südstaatenpalast.
    Sein Zimmer war größtenteils in Grüntönen und Weiß gehalten. Der Boden bestand aus Pinienholz, das man so lange gewachst hatte, bis es warm glänzte. In der entfernten Zimmerecke stand ein Schreibtisch im Louis-Philippe-Stil aus Kirschholz, dessen Beine wie geschwungene X geformt waren. Frische Blumen blühten in einer Vase auf der Kommode, und das Bett sah so bequem aus, dass er versucht war, sich sofort daraufzulegen. Das offene Fenster ging auf die Eichen, den Garten und einen Rasen hinaus, der einem Golfplatz alle Ehre gemacht hätte; weiße Spitzenvorhänge filterten das Licht der sinkenden Sonne und flatterten in der Brise. Mit geschlossenen Augen stand Justin davor und ließ den Wind und die Schwüle auf sich einwirken; ihm brach sogar jetzt noch der Schweiß aus, der allerdings von der Brise gekühlt und getrocknet wurde.
    Dies war einer der Orte, an denen er nie etwas zustande gebracht hätte, wenn er denn hier leben würde. Er würde einfach unten durch die Eingangstür gehen, über die Schwelle treten, und alles würde nur noch in Zeitlupe ablaufen. Die Tage würden einem hier sehr viel länger vorkommen und die Nächte ewig. Er würde wie ein Geist aus einem anderen Zeitalter umherwandern, gegrillt von der Sonne und gequält von derselben Luft, die er einatmete. Er wäre nur noch träge, würde schlafen und träumen oder wäre in Gedanken versunken.
    In diesem Moment wurde ihm klar, dass er stets eine Stadt brauchen würde, in der er funktionieren konnte.
    Das Abendessen wurde um halb acht serviert. Tulia kam nach oben, um sie beide abzuholen, und Justin und Leonard gingen hinter ihr die Halle entlang. Zum Essen gerufen werden – das war neu und ausgesprochen aufregend. Als sei er wieder ein Kind, nur dieses Mal unter der unstrittigen Herrschaft eines Patriarchen, dessen Wort Gesetz war. Die solide Mittelklasse des Mittleren Westens hatte ihn nicht auf so etwas vorbereitet. Dieses eigenartige Gefühl der Leere. Auf einmal dachte er, dass man wohl viele der alltäglichen Überraschungen verlor, wenn man als reiches Kind aufwuchs. Wer immer Mrs Andrew Jackson Mullavey auch war, so konnte er sich nicht vorstellen, dass ein vorlautes Kind zu ihr hinlief und vorschlug, zum Abendessen Pizza zu bestellen.
    »Bist du jetzt wieder ein Mensch?«, fragte Justin Leonard, als sie im Erdgeschoss ankamen.
    Leonard massierte sich mit dem Daumen und dem Mittelfinger die Schläfe. »Ich habe ein Nickerchen gemacht. Hab meine Pille gegen Bluthochdruck ein bisschen zu früh genommen. Und eine doppelte Dosis Tagamet.« Er knurrte. »Ich schätze, ich war ein Arschloch, was?«
    »Absolut.«
    »Das tut mir leid.«
    »Das musst du nicht mir sagen. Ich bin nicht derjenige, den du angegriffen hast.«
    Andrew Jackson Mullavey wartete bereits im Esszimmer auf sie. Justin hatte den Mann seit dem entscheidenden Meeting im Juli nicht mehr gesehen, und Mullavey begrüßte sie beide, als wären sie verschollene Mitglieder einer großen Familie. Er lächelte und breitete die Arme aus, als er sich von seinem Stuhl erhob, um ihnen die Hände zu schütteln, ihnen auf die Schultern zu klopfen und sie persönlich zu ihrem Platz zu geleiten.
    »Sie beide sind doch ein schöner Anblick in Bezug auf das anstehende erholsame Wochenende!«, sagte er. »Ich muss Ihnen gestehen, dass ich wegen des ungeplanten Vorziehens der Kaffeepads bestimmt zwei Jahre meines Lebens verloren habe, aber wissen Sie, wir haben das Kind gut geschaukelt. Das haben wir in der Tat.«
    Leonard ging von den Schmeicheleien direkt zum Geschäft über. »Welche Neuigkeiten gibt es denn von der Konkurrenz? Wie haben es Granvier und die Caribe-Leute

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