Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
Vom Netzwerk:
Faden darangebunden worden, nachdem man zuerst einige Perlen auf den Faden gezogen hatte. Bezaubernd, oh, gottverdammt bezaubernd. Er saß da und sah es an, als könne es jeden Moment auf ihn losgehen und ihm die Augen aushacken.
    Endlich hob er es hoch, und war das nicht ein wirklich schauriges kleines Ding? War es denn heutzutage nicht mehr üblich, ein Stück Schokolade aufs Kissen zu legen? Und wenn er nur daran dachte, dass er zwei Nächte lang in diesem Bett geschlafen hatte und dieses Ding nur wenige Zentimeter von seinem Kopf entfernt gewesen war …
    Nun, so war es nicht gewesen. Oh nein. Er hatte nicht geschlafen. Er hatte sich herumgeworfen, hin und her gedreht und war jedes Mal rüde wieder in die Realität zurückgekehrt, wenn ihn der Schlaf überkommen wollte. Und wie er nun so auf diesem Bett saß, fühlte er sich sehr klein, wie ein unschuldiger Narr, der sich unter dem völlig falschen Dach befand. Was zum Teufel ging denn hier vor sich? Denn dies war keine Art Talisman, den man einfach nur so aus Spaß anfertigte und der zufällig unter dem Kissen eines anderen landet.
    Justin erhob sich vom Bett und ließ die Kralle neben der Vase auf dem Nachttisch liegen. Er ging durch die Tür und langsam zur Halle; hier oben im zweiten Stock war es erstaunlich leer. Die anderen Geräusche in diesem gewaltigen Haus – eine Dunstabzugshaube, leise Stimmen, Töne aus einer Oper, die eine Stereoanlage irgendwo hervorbrachte – schienen weit entfernt zu sein, zu weit entfernt, um ihn zu beruhigen.
    Er war ein einsamer Wanderer, das polierte Holz fühlte sich unter seinen nackten Füßen kalt an; es war glatt, hier gab es keine Splitter, und seine Schritte konnten gar nicht leise genug sein. Jedes falsche Geräusch würde die Aufmerksamkeit auf ihn lenken, was nicht gut war, und was würde er tun, wenn jemand Gestalt und Form annahm und aus einem dieser Zimmer trat? Wo wollen Sie hin?, würde man ihn fragen, und er hätte keine Antwort. Denn er hätte keinen Atem, um zu antworten.
    Die beiden Wochen im letzten Jahr waren ziemlich eng gewesen, und doch hatte er in der Zeit die Angst vergessen. Und wie irrational die Gründe für ihr Auftauchen sein konnten.
    Er hielt vor der Tür von Leonards Zimmer. Es würde natürlich leer sein. Draußen am Pool hatte Justin sowohl Leonard als auch seinen Wochenende-Ehepartnerersatz zurückgelassen. Sie hatte ihr Oberteil entfernt, er zierte sich jedoch noch wegen seiner Badehose.
    Justin öffnete die Tür. Trat ein. Er ließ sie offen, es würde nicht lange dauern.
    Das Zimmer glich dem seinen, es war keine Replik, aber es hatte dieselbe Funktion und von daher auch fast das gleiche Format.
    Er sah zum Nachttisch, dort stand die Vase. Er musste es wissen. Er wollte nicht hineinsehen, aber ihm war klar, dass er sonst niemals abreisen konnte. Ließ man diese grässlichen Schmuckstücke für alle ahnungslosen Gäste da … oder war er etwas Besonderes, ein Gesalbter?
    Er trat einen Schritt näher. Und sah hinein.
    Leer.
    Genauso wie die anderen Vasen im Zimmer, in die er hineinsah.
     
    Zornig stand er unter der Dusche und bearbeitete sich, bis er ganz von Seifenschaum bedeckt war, als wolle er versuchen, jeden Teil von sich zu reinigen, den dieses Haus berührt hatte. Es war ihm gleichgültig, dass er diesen sündigen Spießrutenlauf erneut bestehen musste, er wollte sich nur erst davon befreien. Er rieb sich mit solcher Kraft mit dem Handtuch ab, dass er sich fast die Haut aufscheuerte.
    Justin packte den Rest seiner Sachen mit nassen Haaren, er quetschte einfach alles in seine Tasche.
    Als er nach unten kam zu dem mit Ziegelsteinen gepflasterten Platz, an dem sie Mullaveys Landsitz zum ersten Mal betreten hatten, stellte er fest, dass die Limousine bereits dort stand. Napolean Trintignant wartete schon auf sie und wischte träge die Stoßstangen mit einem weichen Baumwolltuch ab, damit das Metall auch weiterhin glänzen würde. Justin dachte, dass das genau das war, was er wollte, ein kurzes Gespräch unter vier Augen mit Mullaveys Fahrer. So ungern er sich an diesem Ort aufhielt, diesen Kerl mochte er.
    »Yo, Mann«, sagte Napolean. Er war lässig gekleidet und trug nur eine graue Hose und ein weißes Hemd, kein Jackett, keine Kappe. »Hier hat es jemand eilig, nach Hause zu kommen, wie ich sehe.«
    Justin nickte, öffnete eine der hinteren Türen und warf sein Gepäck auf den Sitz. Er hielt mit der Hand an der Tür inne und starrte auf die Bar im hinteren Wagenteil. Oh Baby.

Weitere Kostenlose Bücher