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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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eine Maschine fallen ließ, die nach Mandeln roch …
    Und später hatte er versucht, eine Halskette, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, an einen Mann zu verkaufen, den er nicht kannte – wie war er nur daran gekommen? Wie viel kriege ich dafür?, das waren nicht seine Worte, auch wenn sie über seine eigenen Lippen kamen …
    Und dann wurde er von zwei blau gekleideten Männern angepöbelt, die ihm Angst machten und dafür sorgten, dass er zusammenbrach und weinte, da ihn ihre Uniformen an zu Hause erinnerten, an die Tonton Macoute mit ihren Waffen und ihren Macheten, und wenn sie jemanden fortbrachten, den man nie wiedersah.
    Von diesen Männern und ihren Partnern kamen nichts als Fragen. Worte. So viele Worte schwirrten um ihn herum, in seinem Kopf, wie Hornissen, und er konnte nur weinen und mit dem Kopf nicken und ihnen sagen, ja, ja, er hatte die Kügelchen in den Kaffee geworfen. Ja, er hatte sie zusammen mit den Juwelen gestohlen.
    Ein Teil von ihm, die Splitter von Dorcilus Fonterelle, der einst lebte, sehnte sich danach, ihnen mehr zu erzählen … dass es nicht seine Schuld war, dass er keiner Menschenseele Schaden zufügen wollte, er beichtete ihnen sogar Dinge, die er gar nicht getan hatte, weil er keine Kontrolle mehr über seine Zunge besaß …
    Aber er wagte es nicht. Sogar die Splitter der Vergangenheit konnten die Bedrohungen der Gegenwart und der Zukunft noch erkennen. Er wusste, was er zu sagen hatte, und mehr konnte er nicht von sich geben. Der Djab Blanc überwachte das alles, er kam in seinen Kopf, wie andere Menschen in ein Zimmer gingen. Und wenn der Djab Blanc nicht da war, um jede Frage durch Dorcilus’ Ohren zu hören und jedes Wort, das über seine Lippen kam, so war das dennoch ohne Bedeutung. Er konnte nicht die Wahrheit sagen. Der Djab Blanc würde später wiederkommen.
    Und er würde es wissen.
    Und er würde bestrafen.
    So wie er jetzt kam, während der Zellenblock schlief, umgeben von kalten Wänden und Stahlgittern. In den Nachtstunden waren nur das verzweifelte Stöhnen der Wahnsinnigen und das Murmeln zu hören sowie die Flüche derjenigen, die zu wütend waren, um zu schlafen. Es war eine Insel der verlorenen Seelen, sie alle waren von einem Schiff voller Narren verbannt worden.
    Die Stimme des Djab Blanc, leise und flüsternd. Keine Gitter würden ihn aufhalten, keine Mauer konnte sein Eindringen verhindern. Er ging mit Leichtigkeit durch Stahl, Steine und Knochen. Und was für Dinge er flüsterte, was für Dinge, was für furchtbare Versprechen. Er sagte Dorcilus, was ihn in dieser Nacht erwarten würde, wenn er nur den Mut finden könnte, zu handeln …
    Das Grab wartete, das Dorcilus nach dieser Nacht nie wieder verlassen musste, und er konnte den Holzsarg in seinem Geist genauso deutlich sehen wie die dahingekritzelten Worte auf der Wand der Gefängniszelle. Der leere Sarg mit geöffnetem Deckel, wie eine Zunge in einem zermalmenden Mund aus schwarzer Erde. Er wartete. Komm, der Weg ist leicht, und was würde er in alle Ewigkeit lieber hören: das Dahingleiten der Würmer oder das Flüstern des Teufels, der seine Seele gefangen hielt?
    Der Weg lag jetzt sogar noch deutlicher vor ihm.
    Dorcilus erhob sich von seiner Pritsche. Er zog seine Hose aus, die nackten Beine wirkten wie knöcherne Stöcke. An der Zellentür knüpfte er ein Hosenbein um einen Gitterstab, er band es an der obersten Strebe über der Tür fest. Das andere Hosenbein verknotete er um seinen Hals.
    Er ließ sich so abrupt fallen, als habe man ihm die Beine gebrochen, und da hing er, lautlos, ein Bein keilte in schlimmen Zuckungen aus, sein Fuß schlug auf dem kalten Betonfußboden hin und her wie ein sterbender Fisch. Die Faust um seinen Hals zog sich zu, er hörte das Rauschen der Brandung in seinen Ohren, er segelte auf der warmen See in sein Heimatland.
    Als sich sein Darm in seine Unterwäsche entleerte, dachte er, er könne schon seine Erde riechen …
    Und er hörte die Zähne der Würmer, willkommen …
    … wir haben alle Zeit der Welt …
    Willkommen.

13
S CHWINDENDE Z URÜCKHALTUNG
     
    Es war dieselbe alte Geschichte: Ein neuer Mitbewerber kommt auf den Markt, er kann sich gegen die Alteingesessenen nicht halten … der neue Mitbewerber geht unter. Die lehrreiche Sage der freien Marktwirtschaft. Ein paar Menschen finden durch versteckte Zyaniddosen den Tod, aber hey … jede Fabel braucht irgendwann mal eine Wendung, damit sie auf die Dauer interessant bleibt.
    Und das war das

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