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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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es, sich anzuschauen. Jenny bahnte sich einen Weg durch die Menge, zog dabei etliche Blicke auf sich und betrat die Vorhalle, dankbar, dass niemand sie angespuckt hatte. Nachdem sie die Sicherheitskontrolle passiert hatte, sah sie sich unter den versammelten Rechtsanwälten, Klienten, Zeugen und Gerichtsdienern um. Im Landgericht wären ihr die Gesichter vertraut vorgekommen, aber mit Strafrecht hatte sie bisher nie etwas zu tun gehabt. Der Crown Court, in dem solche Fälle verhandelt wurden, war für sie eine fremde, beunruhigende Welt.
    Sie schritt an der Menge vorbei und blickte in das dunstige, überfüllte Café, aber McAvoy sah sie nicht. Um direkt zum Raum der Anwälte zu gehen, fehlte ihr der Mut. Stattdessen stellte sie sich am Empfang in die Schlange und wartete zehn Minuten, bis die beleibte Angestellte ein Telefonat gerade lange genug unterbrach, um über die Lautsprecheranlage einen Ausruf zu machen: »Mr. McAvoy von O’Donnagh and Drew bitte sofort zur Rezeption.«
    Unsicher stand sie im Eingangsbereich und beobachtete, wie die Anwälte und ihre Klienten miteinander verhandelten und irgendwelche Deals beschlossen. Kaum verhohlene Wut lag in der Luft. Flüche schwirrten herum, und die Polizisten, die den Bereich durchqueren mussten, beeilten sich und hielten den Blick gesenkt. In Jennys Nähe heulte eine junge Frau auf und beschimpfte einen Anwalt, der ihr schlechte Nachrichten überbrachte. Zwei andere Frauen hielten sie fest, als sie nach ihm schlagen wollte. Sie wehrte sich, kämpfte sich frei und hatte ihm schon die Fingernägel ins Gesicht geschlagen, bevor ein Gerichtsdiener und ein älterer Polizist herbeieilen konnten. Ungläubig betupfte der Anwalt mit einem Taschentuch seine blutende Wange, als seine undankbare Klientin fortgebracht wurde.
    »Das ist aber nicht Ihre Art, einen ehrlichen Mann von der Arbeit abzuhalten, Mrs. Cooper.«
    Sie wandte sich von der Szene ab und sah McAvoy auf sich zukommen. Er trug einen unordentlichen Stapel Papiere unter seinem Arm.
    »Unten wartet ein Mann, dessen Leben in meinen Händen liegt. Der Barrister ist ein nutzloses Stück Scheiße, ich habe also nicht viel Zeit.«
    »Gibt es einen Raum, in dem wir in Ruhe reden können?«, fragte sie. »Einen Konferenzraum zum Beispiel?«
    »Jetzt am Morgen? Sie sind lustig.«
    »Auf der anderen Straßenseite ist ein Café.«
    »In zehn Minuten muss ich einen Antrag durchbringen. Freilassung auf Kaution. Der Typ springt mir an die Gurgel, wenn wir ihn nicht rausholen. Heute Mittag geht sein Flieger.« Er sah sich in der Halle um und bedeutete ihr dann, ihm zu folgen. »Mal schauen, was ich machen kann.«
    Jenny lief ihm durch die aufgeregte Menge hinterher, die nach Armut und kaltem Schweiß roch, in einen kleinen Gerichtssaal. Auf den Bänken der Anwälte stapelten sich Akten und Fachbücher. Anscheinend wurde hier ein langwieriger Prozess geführt.
    McAvoy schaute auf die Uhr über der Tür. »Wir haben fünf Minuten.«
    Sie hatte eine Ansprache vorbereitet, die sie während ihrer Herfahrt geprobt hatte. Sie sei ein Coroner Ihrer Majestät, würde sie sagen, eine hohe Amtsperson, die für einen schweren und ernsten Fall verantwortlich sei, und er habe nicht nur eine Unterbrechung ihrer gerichtlichen Untersuchung provoziert, sondern sie außerdem auch noch in die Irre geleitet. Er habe ihr nicht mitgeteilt, dass er acht Jahre zuvor Informationen über Nazim Jamal herausgefunden habe, die mit ihrem Fall zu tun hatten. Könne er nicht mit einer Erklärung aufwarten, könne er von Glück sagen, wenn er nicht ein zweites Mal in seiner fragwürdigen Karriere wegen Behinderung der Rechtsfindung angeklagt werden würde.
    Jenny atmete tief durch, aber plötzlich packte sie schiere Wut. »Für wen, zum Teufel, halten Sie sich, McAvoy? Was reitet Sie bloß? Vor acht Jahren haben Sie mit Brightman gesprochen. Sie wussten von Nazim und Sarah Levin.«
    Sein Lächeln verschwand. Er blickte zur Tür hinüber, dann schaute er sie ertappt an.
    »Da gibt es nichts zu wissen.«
    »Brightman hat die beiden zusammen gesehen. Dieser pubertäre Gotteskämpfer hat mit der Frau geschlafen, die als Einzige gehört haben will, dass es den Jungen ins Ausland zieht.« Sie spürte, dass ihr Gesicht vor Zorn glühte.
    McAvoy zuckte mit den Achseln. »Der Junge war ein Heuchler oder hat sich einfach nur mal verführen lassen. Was soll das? Hat seine Mutter nicht genug gelitten? Sie war eine konservative Frau.«
    »Seine Mutter ist tot.«
    »Darüber

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