Totenstätte
den Kopf.
»Erzählen Sie es mir, Alec. Warum geben Sie nicht einfach auf?«
Eine Pause. »Es geht um Beweise, nehme ich an …«
»Wofür?«
»Dass Er mich nicht ganz vergessen hat.«
»Wer?«
»Der Urheber all dieser Traurigkeit.«
»Sie reden wirres Zeug.«
»Ja …« Er schaute sie mit rot geränderten Augen an. »Was ist in der Wohnung von Mrs. Jamal passiert? Mir ist zu Ohren gekommen, dass am Wochenende Männer in weißen Overalls dort eingefallen sind.«
Sie zögerte. »An ihrem Körper wurde etwas gefunden. Eine Substanz.«
»Trauen Sie diesen Leuten? Wer weiß, was für faule Tricks die auf Lager haben. Mrs. Jamal war eine äußerst unbequeme Frau.«
»Ich weiß nicht, wem ich trauen soll.«
Er nickte schwermütig. »Vielleicht sollten Sie sich besser aus der Sache heraushalten. Wenn diese Leute die Wahrheit begraben, werden sie keinerlei Bedenken haben, Sie gleich mitzuverbuddeln.«
Er trat in den Flur hinaus, auf dem es vor Menschen wimmelte.
»Alec …!«, rief Jenny, aber er war schon fort.
McAvoys Miene stand ihr so beharrlich vor Augen wie das Bild eines Ertrinkenden. Sie hatte das beunruhigende Gefühl, gerade mal an die Schwelle von etwas Wichtigem vorgedrungen zu sein. Möglicherweise lagen dahinter seine finsteren Geheimnisse, aber die hatte er ihr erspart, um sie nicht mit sich in den Abgrund zu reißen. Sie war zu ihm gegangen, um einen Geist loszuwerden, und stattdessen wurde sie jetzt von vielen verfolgt. Ihr eigenes Verhalten sollte sie schockieren – sie war nicht besser als die Frau, die ihren Anwalt angegriffen hatte –, aber das Gefühl auseinanderzufallen überwältigte sie. Ihr Geist, ihr Körper und ihre Empfindungen schienen aus drei verschiedenen Richtungen an ihr zu zerren und sie zerreißen zu wollen.
Als Jenny eintrat, schaute Alison auf und schlug sofort einen dringlichen Flüsterton an. »Da sind Sie ja, Mrs. Cooper. Mr. Moreton ist hier und möchte Sie sprechen. Ich habe ihn in Ihr Büro geschickt.«
»Moreton? Was will der denn?«
»Das hat er nicht gesagt. Er wartet schon fast eine Stunde.« In ihrer Stimme schwang ein deutlicher Tadel mit.
»Ich hatte zu tun.«
»Warten Sie ab, bis Sie erst einmal sehen, was am Wochenende reingekommen ist.« Alison deutete auf einen dicken Stapel Todesmeldungen.
»Darum kümmere ich mich später.«
Jenny wappnete sich und betrat ihr Büro.
Moreton legte seine Zeitung hin und begrüßte sie herzlich, aber auch mit einer gewissen Reserviertheit. »Jenny. Wie schön, Sie wiederzusehen.«
Er streckte eine Hand aus.
»Simon.«
»Es ist viel zu lange her, dass wir uns gesehen haben. Wann war das? Im August?«
»So ungefähr.« Jenny hatte alles getan, um das Sommerfest des Ministeriums in der Middle Temple Hall zu vergessen. Moreton hatte viel zu viel billigen Champagner getrunken – ebenso wie sie – und sich ziemlich plump an sie herangemacht, indem er mehrfach erwähnt hatte, dass seine Frau mit den Kindern in Frankreich war. Ironischerweise war es gerade die Erwähnung seiner Familie gewesen, die sie gegen jede Verlockung immun gemacht hatte.
»Haben Sie meine Nachricht nicht bekommen?«, fragte er.
»Ich bin gestern erst spät zurückgekommen.«
»Kein Problem. Ich freue mich über jeden Vorwand, hier aufzukreuzen.« Er schenkte ihr ein zweideutiges Lächeln und setzte sich wieder.
»Ich kann mir schon vorstellen, was Sie herführt.« Sie rückte ihren Stuhl vom Schreibtisch weg und ließ sich in einer ungezwungenen Pose ihm gegenüber nieder. »Vermutlich haben Sie von der Sache mit Mrs. Jamal gehört?«
»Das wäre selbst für eine öffentliche Behörde eine Untertreibung. Ich habe Gillian Golder und ihre Mannschaft in Schach gehalten, damit Sie nicht unter unangemessenen Druck geraten. Aber die richtige Umschreibung für den gegenwärtigen Gemütszustand dieser Leute wäre wohl blinde Panik.«
»Hat man irgendwelche Theorien, woher das Cäsium kommen könnte?«
»Theorien ja, Verdächtige nein. Ich glaube, sie haben ein paar Leute im Visier, darunter auch einen Ihrer Zeugen.«
»Anwar Ali?«
»Der Name kommt mir bekannt vor. Meinem Eindruck nach machen sie aber keine großen Fortschritte.« Er zuckte mit den Achseln und schaute sie erwartungsvoll an.
»Vermutlich nehmen sie an, dass derjenige, der Mrs. Jamal kontaminiert hat, irgendetwas mit ihrem Sohn zu tun hatte – dass er vielleicht Mitglied einer Terrorzelle ist«, sagte sie.
»Ich bin mir sicher, dass es so ist.«
»Glaubt man denn, dass es
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