Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
Vom Netzwerk:
überstürzten sich.
    »Ich brauche Sie aber. Sie müssen heute früh eine Aussage machen. Sie müssen etwas über diesen Amerikaner sagen. Sie wissen doch etwas über ihn, oder?«
    »Ich habe Ihnen eine Menge zu erzählen, Jenny. Ein ganzes Buch könnte ich damit füllen.« Er klang müde.
    »Alec … Es ist doch alles okay, oder? Pironi hat Alison erzählt, dass es Ihnen nicht gut zu gehen schien.«
    »War das eine physische Diagnose, oder bezog er sich damit auf meinen geistigen Zustand?«
    »Ich werde ihn ins Gericht bitten, um sich Ihre Aussageanzuhören. Möglicherweise können wir ihn überzeugen, zumindest damit rauszurücken, wer damals die Einstellung der Ermittlungen befohlen hat. Vielleicht würde er sogar einräumen, dass er angewiesen wurde, Sie beiseitezuschaffen.«
    »Das wäre ein Wunder.«
    »Ich glaube, sein Gewissen quält ihn. Heute Abend ist etwas passiert …« Sie beherrschte sich. »Ich erzähle es Ihnen nach Ihrer Aussage. Sie werden doch aussagen, oder?«
    McAvoy schwieg.
    »Alec, bitte. Hören Sie mir zu. Sie müssen kommen. Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, aber es gibt noch Hoffnung, oder?«
    »Es gibt immer Hoffnung.«
    »Und wenn alles vorbei ist, reden wir miteinander, ja?«
    »Das werden wir. Gute Nacht, Jenny.«
    »Gute Nacht … Alec …« Sie haben mir nicht erzählt, warum Sie angerufen haben , wollte sie noch sagen, aber die Leitung war schon tot. Sie hätte ihn zurückrufen können, aber das hätte den Moment verdorben. Außerdem wusste sie, was er sagen wollte, sie spürte es: Sie war nicht allein. Er war bei ihr.

27
    S elbst in ihrem Büro im ersten Stock konnte Jenny die Proteste vor dem Saal hören. Die Menge der wütenden jungen Indopakistaner war auf mehr als dreißig Personen angewachsen, aber die Polizisten waren in der Überzahl. Noch immer war keine Silbe über die gerichtliche Anhörung in Zeitung, Radio oder Fernsehen verloren worden. Auch die Entführung von Anna Rose und der Schusswechsel auf der Autobahnraststätte hatten nicht den Weg in die Medien gefunden. Was die Außenwelt betraf, war nichts davon je passiert.
    Alison klopfte und trat mit einer bedauernden Miene ein.
    »Von McAvoy ist keine Spur zu sehen, genauso wenig wie von Dave Pironi. Dr. Levin habe ich eine weitere Nachricht hinterlassen. Sie weiß, dass sie herkommen soll.«
    »Was ist mit diesem Salim? Konnten Sie ihn ausfindig machen?«
    »Ich habe von der Universität eine Adresse und eine Telefonnummer bekommen, aber er geht nicht ans Telefon. Der Betreuer, mit dem ich gesprochen habe, behauptet, er sei zu den letzten beiden Tutorien nicht erschienen.«
    »Wann wurde er zuletzt gesehen?«
    »Vor fast drei Wochen.«
    Jenny kämpfte gegen den Verdacht an, dass ihre Zeugen vorsätzlich der Anhörung ferngehalten wurden.
    »Was gedenken Sie zu tun?«, fragte Alison. »Wir hättenvor einer Viertelstunde beginnen sollen. Miss Denton wird ungeduldig.«
    Jenny mobilisierte ihre letzten Kraftreserven. Die Erschöpfung und die überwältigende Angst, dass ihr alles aus den Fingern gleiten könnte, drohten die Wirkung der Medikamente zunichtezumachen. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen.
    »Ich sollte der Jury gegenüber eine Erklärung abgeben«, antwortete sie und stand auf. »Versuchen Sie weiter, McAvoy und Pironi zu erreichen. Wer weiß, vielleicht sind sie ja gemeinsam auf dem Weg hierher.«
    Alison zog die Augenbrauen hoch. »Es sind schon Wunder geschehen.«
    Martha Denton erhob sich ungeduldig, als Jenny ihren Platz am Kopfende des Saals eingenommen hatte.
    »Können wir kurz etwas besprechen, bevor Sie die Jury hereinrufen, Ma’am?«
    Jenny hatte keinen Grund, warum sie der Bitte nicht stattgeben sollte. Ihr fiel auf, dass Mr. Jamal heute älter aussah, resigniert.
    Denton griff nach einem Papier. »Es wird Sie nicht überraschen zu hören, dass vom Ministerium ein Entscheid vorliegt, im öffentlichen Interesse die Informationen zu den Umständen von Nazim Jamals und Rafi Hassans Verschwinden unter Verschluss zu halten.«
    Alison reichte eine Kopie an Jenny weiter, die den unpersönlichen Text überflog.
    »Wenn ich Einblick in die Akten beantrage, wird mir der also vermutlich verweigert«, sagte Jenny.
    »Vielleicht ist es hilfreich zu wissen, Ma’am, dass sich gegenwärtig ein Richter vom Höchsten Gerichtshof in Bristol aufhält. Er könnte sich heute Nachmittag Zeit nehmen.«
    Und zwar mit einem fertigen Urteil in der Tasche, das jede Berufung von vornherein ausschloss, daran hatte

Weitere Kostenlose Bücher