Totenstätte
Jenny keinerlei Zweifel.
»Ich muss noch verschiedene Zeugen anhören, Miss Denton. Meine Entscheidung werde ich Ihnen mitteilen, wenn ich alle Aussagen kenne.«
Denton wirkte überrascht. »Nun, wenn Sie nicht beabsichtigen, die amtliche Bestätigung anzufechten, wäre es wohl das übliche Verfahren, die Jury darauf hinzuweisen, dass sie früher oder später auf unbekannte Todesursache urteilen sollte. Mr. Skenes Aussage bestätigt immerhin, dass die Geheimdienste die Männer außer Landes wissen. Das ist zwar kein konkreter Beweis, aber soweit ich sehe der beste, den wir im Moment haben.«
»Solange ich das nicht so sehe, ist es überhaupt kein Beweis, Miss Denton«, sagte Jenny und provozierte ein zustimmendes Nicken von Khan.
Sofort schoss Denton zurück. »Ma’am, obwohl es äußerst unüblich wäre, kann das Urteil eines Coroners angefochten und eine neue Untersuchung beantragt werden, wenn das Urteil eindeutig fehlerhaft ist. Es mag zwar frustrierend sein, den Inhalt der Geheimdienstinformationen nicht zu kennen, aber die Jury kann nicht zu einem anderen glaubwürdigen Urteil kommen, als dass die Todesursache unbekannt ist.«
Ruhig sagte Jenny: »Miss Denton, meine Jury wird ihr Urteil abgeben, wenn sie sämtliche verfügbaren Informationen gehört hat, und nur dann. Ob das Ihre sogenannten Geheimdienstinformationen nun einschließt, das sei dahingestellt.«
Alison erschien in der Tür zum Sitzungsraum und bedeutete Jenny stumm, dass Dr. Levin eingetroffen war.
»Bringen Sie jetzt bitte die Jury herein«, sagte Jenny. »Anschließend werden wir noch einmal Dr. Levin hören.«
Martha Denton warf Alun Rhys über die Schulter hinweg einen Blick zu und ließ sich auf ihren Stuhl sinken. Rhys starrte Jenny bedrohlich an, konnte aber nichts tun, als dazusitzen und zuzuschauen. Die Jury nahm ihre Plätze ein, und Sarah Levin kam vom Nebenzimmer aus in den Raum.
Als sie den Zeugenstand betrat, sah sie ängstlich zwischen Jenny und den Anwälten hin und her.
»Sie stehen noch immer unter Eid«, sagte Jenny. »Ich habe Sie erneut hergebeten, damit Sie uns bei der Klärung von ein paar wichtigen Hintergrundfragen helfen. Hat irgendjemand von der Polizei oder den Geheimdiensten mit Ihnen gesprochen oder sonst irgendwie Kontakt zu Ihnen aufgenommen, seit Sie gestern hier ausgesagt haben?«
»Nein.«
»Hat irgendjemand Ihnen vorgeschrieben, was Sie in Ihrer Aussage ansprechen dürfen und was nicht?«
Sie schüttelte den Kopf.
Jenny war nicht überzeugt, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. Havilland und Denton würden sich auf das geringste Anzeichen von Voreingenommenheit stürzen, das sie zeigte.
Sie schlug einen verbindlichen Ton an. »Sie hatten ein Stipendium für Harvard, nicht wahr? Nach Ihrem Abschluss hier in Bristol haben Sie dort promoviert.«
»Das ist richtig.«
»In jenem Jahr waren Sie einer von nur zwölf Stipendiaten.«
»Das stimmt.«
»Hatten Sie Kontakte nach Amerika, als Sie noch in Bristol studiert haben?«
»Nein«, sagte Dr. Levin, aber es klang verhalten.
Jenny fragte weiter. »Um Mitternacht des 28. Juni wurde beobachtet, wie ein Mann, etwa in den Vierzigern, ManorHall verlassen hat. Das war in der Nacht, in der Nazim und Rafi verschwunden sind. Dani James hat ausgesagt, er habe einen unförmigen Anorak und eine Baseballkappe getragen. Außerdem hatte er einen Rucksack oder eine Reisetasche bei sich. Wissen Sie, wer dieser Mann war?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Kannten Sie damals einen Amerikaner, auf den die Beschreibung zutreffen würde?«
»Nein …«
»Sie wirken unsicher.«
»Nein, ich kannte keinen.«
»Letzte Woche ist ein ähnlich beschriebener Mann, nur dass er etwas älter war, aus dem Haus von Nazims Mutter gekommen. Ein paar Minuten nach ihrem Tod. Haben Sie in letzter Zeit einen etwa fünfzigjährigen Amerikaner getroffen?«
Martha Denton knallte ihre Handfläche auf den Tisch, als sie aufsprang. »Ma’am, was für eine Bedeutung kann das für einen Fall haben, der acht Jahre zurückliegt?«
»Ich möchte Sie daran erinnern, Miss Denton, dass ich diejenige bin, die entscheidet, was relevant ist und was nicht.«
»Wenn ich recht informiert bin, ist Mrs. Jamals Tod im Moment Gegenstand polizeilicher Ermittlungen. Es ist nur angemessen, Sie darauf hinzuweisen, dass jede diesbezügliche Spekulation vor diesem Gericht das Risiko birgt, die Jury zu beeinflussen und ihr Urteil damit ungültig werden zu lassen.«
»Setzen Sie sich, Miss Denton. Und
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