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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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erkennen, den jungen MI5-Mitarbeiter.
    Nachdem alle zur Ruhe gekommen waren, stellte Jenny sich vor und bat die Anwälte, ihrem Beispiel zu folgen. Mrs. Jamal wurde von Trevor Collins vertreten, einem gewöhnlichen Anwalt mit schütterem Haar und schlecht sitzendem Anzug, der trostlos an ihm herunterhing. Collins sprach stockend, wirkte nervös und erweckte ganz allgemein den Eindruck, als würde er den Morgen lieber in seinem viel zu kleinen Büro verbringen und Testamente aufsetzen. Ein gut aussehender, weltgewandter Barrister namens Fraser Havilland, von dem Jenny wusste, dass er in letzter Zeit bei Anhörungen in London eine wichtige Rolle gespielt hatte, würde den Polizeipräsidenten von Bristol und Avon vertreten. Martha Denton, eine scharfzüngige und schroffe Kronanwältin, die sonst zumeist im Krongericht anzutreffen war, wo sie mit Terrorismusfällen zu tun hatte, vertrat den Präsidenten der Geheimdienste. Jeder Barrister hatte Solicitors mitgebracht, beratende Anwälte, die mit einer ganzen Batterie an Fachbüchern und Laptops bewaffnet in der Reihe dahinter saßen. Jenny dagegen hatte einen abgegriffenen Jervis dabei, außerdem einen Stapel neuer Notizbücher und den Füller, den sie von ihrem Vater zum Examen geschenkt bekommen hatte. Alison saß an einem kleinen Tisch zu ihrer Rechten und war für denselben Kassettenrekorder zuständig, der schon seit den frühen Achtzigern die Anhörungen im Severn Vale District dokumentierte.
    Mit Ausnahme von Havilland wurden die Anwälte immer ungeduldiger, als Jenny gemeinsam mit Alison die Juroren nach vorne rief und jeden einzeln danach fragte, ob er aus irgendeinem Grund nicht einsatzfähig sei. Zwei alleinerziehende Mütter, die ihr leidtaten, schickte sie nach Hause, dann wurden von den Verbliebenen durch Losverfahren acht Personen ausgewählt. Jene, auf die die Wahl fiel, setzten sich in die zwei Reihen links von Jenny. Alle ausgelosten Juroren waren weiß, sechs von ihnen hatten graue Haare. Die einzige männliche Person unter dreißig trug eine schmuddelige Jeans und eine Sweatshirtjacke und wirkte jetzt schon unendlich gelangweilt. Die Jüngste unter ihnen, eine neunzehn- oder zwanzigjährige junge Frau, machte einen eher ratlosen Eindruck und schien sich zu fragen, was sie hier überhaupt tat.
    Jenny ignorierte das Stöhnen der Anwälte und bat die Jurymitglieder, alles zu vergessen, was sie an Gerichtsdramen bisher im Fernsehen gesehen hätten. Sie erklärte, dass es sich bei dieser Untersuchung nicht um einen Strafprozess handele, vielmehr würde man Aussagen zum unerklärlichen Verschwinden von Nazim Jamal und seinem Freund Rafi Hassan hören. Falls – und nur in diesem Fall – die Indizien hinreichend waren, um den Tod von Nazim Jamal als relativ sicher anzunehmen, hatte die Jury außerdem zu entscheiden, wann, wo und wie der Tod eingetreten war. Nach einer etwa dreißigminütigen Erklärung war Jenny überzeugt, dass die Jurymitglieder die grundlegenden Dinge begriffen hatten.
    Als Mrs. Jamal aufstand, um zum Zeugenstand zu gehen, flog plötzlich hinten im Saal die Tür auf, und eine Gruppe junger Indopakistaner platzte herein, gefolgt von mindestens einem halben Dutzend aufgeregter Journalisten. Sie wirkten feindselig und einschüchternd und gaben sich gar nicht erst die Mühe, leise zu sein. Die meisten setzten sich auf die noch freien Stühle, der Rest reihte sich an der Wand auf. Plötzlich war der Raum überfüllt und stickig. Zorn hing in der Luft.
    Jenny sah, wie Anwar Ali einem der Leute zunickte. Alison warf ihr einen ängstlichen Blick zu.
    »Diese Anhörung ist öffentlich«, sagte Jenny und versuchte sich professionell und bedacht zu geben. »Allerdings fasst dieser Raum nur eine gewisse Anzahl an Menschen. Allen, die jetzt hier sind, gestatte ich vorerst, bis zum Ende der Sitzung zu bleiben.«
    »Wenn es beliebt, Ma’am, ich bin im Auftrag der British Society for Islamic Change hier.« Ein Pakistaner von Anfang dreißig näherte sich dem Tisch, an dem die Rechtsanwälte saßen, Block und Fachbücher unter dem Arm. »Yusuf Khan. Ich bin der Rechtsvertreter des Vereins.« Er legte seine Sachen auf den Tisch und reichte Alison seine Visitenkarte. »Man hat mich beauftragt, Ma’am, den Antrag zu stellen, in dieser Sitzung Zeugen befragen zu dürfen.«
    Jenny schaute auf die Karte, die Alison an sie weitergereicht hatte. Khan war Solicitor einer Kanzlei in Birmingham, von der sie noch nie etwas gehört hatte. »Auf welcher Grundlage,

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