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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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Achseln zuckten. Der füllige junge Mann, der Martha Denton beriet, hatte mit Alun Rhys den Kopf zusammengesteckt und flüsterte erregt auf ihn ein. Jenny gabihnen einen Moment, um den Austausch zu beenden, dann erstattete der rotgesichtige Solicitor seiner Vorgesetzten Bericht.
    Unbeeindruckt von der stillen, aber spürbaren Feindseligkeit, die ihr entgegenschlug, erhob sich Martha Denton und wandte sich mit gelangweiltem Ausdruck an das Gericht. »Ma’am, es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass Mr. Jamal oder seine hinterbliebenen Angehörigen irgendetwas mit dieser seltsamen Organisation zu tun hatten oder haben. Der Verein mag zwar behaupten, Personen zu vertreten, die aus dem einen oder anderen Grund ebenfalls verschwunden sind, aber diese Anhörung hier beschäftigt sich nur mit dem Verschwinden einer einzigen Person. Es gibt keinen Grund, warum andere Vermisste hier repräsentiert werden sollten. Wenn die Gesellschaft der Anhörung als Zuschauer beiwohnen möchte, steht es ihr natürlich frei, dies zu tun.«
    »Können Sie irgendeine Facette der Aktivitäten der Organisation benennen, die es nicht ratsam erscheinen lässt, dass sie hier vertreten wird?«, fragte Jenny.
    »Die Frage ist doch vielmehr, Ma’am, ob sie ein begründetes Recht darauf hat, hier vertreten zu werden.«
    »Und die Antwort liegt allein in meinem Ermessen.«
    »Jedes Ermessen sollte sich auf vernünftige Gründe stützen«, sagte Martha Denton.
    Jenny spürte Alun Rhys’ drohenden Blick auf sich. Sie wandte sich an den Anwalt der BRISIC. Ihre Entscheidung stand fest. »Unter der Bedingung, dass sich alle Rechtsvertreter vernünftig verhalten, werde ich Ihnen die gewünschten Anhörungsrechte erteilen, Mr. Khan.«
    »Danke, Ma’am«, sagte Khan und verbeugte sich ehrerbietig. Auf den Gesichtern der jungen Männer im Saal zeichnete sich ein überraschtes Lächeln ab.
    Martha Denton verzog ihr Gesicht und ließ sich demonstrativ wieder auf ihren Stuhl fallen. Alun Rhys verschränkte die Arme.
    »Gut«, sagte Jenny. »Wenn Sie dann bitte in den Zeugenstand treten würden, Mrs. Jamal.«
    Mrs. Jamal kam nach vorne und setzte sich. Ihr Schal verhüllte teilweise ihr Gesicht. Der Stuhl für die Zeugen stand zwischen Jenny und der Jury, direkt neben einem Tisch, der gerade groß genug für eine Bibel, einen Koran und einen Krug Wasser war. Mrs. Jamal sprach den Schwur mit leiser, aber fester Stimme. Die Nervosität war ihr kaum anzumerken. Sie wirkte gefasst und würdevoll und unterschied sich deutlich von der Person, die Jenny in ihrem Büro erlebt hatte.
    Jenny ließ ihr Zeit, ihre Geschichte zu erzählen, und leitete sie mit Fragen durch Nazims Kindheit, seine Zeit am Clifton College, ihre Scheidung und den Beginn seines Studiums an der Universität von Bristol. Mrs. Jamal beschrieb Nazim als hingebungsvollen Sohn und fleißigen Schüler. Ihre Stimme wurde erst brüchig, als sie erzählte, wie er im zweiten Trimester in traditioneller Kleidung zu ihr nach Hause gekommen war.
    »Haben Sie mit ihm darüber gesprochen, warum er sich so angezogen hat?«, fragte Jenny.
    »Ja. Er sagte, viele Muslime seines Alters liefen jetzt so herum.«
    »Haben Sie ihn nach dem Grund gefragt?«
    Mrs. Jamal stockte einen Moment. »Ja, schon … Er wollte nicht darüber sprechen. Er sagte, er wolle es halt.«
    »Wie haben Sie reagiert? Waren Sie besorgt?«
    »Natürlich. Wir wussten ja alle, was mit unseren Söhnen passierte. Damals sind die Extremisten in die Moscheen gegangen und haben mit den Jungen über den Dschihad und solchen Unsinn gesprochen.«
    »Haben Sie mit ihm auch darüber geredet?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das wollte ich nicht. Sie können das vielleicht nicht nachvollziehen, aber ich wollte ihn nicht verärgern. Ich habe ihm einfach vertraut. Junge Leute machen bestimmte Phasen durch, das ist Teil des Erwachsenwerdens. Außerdem war er Wissenschaftler, er studierte Physik. So religiös konnte er gar nicht sein. Ich dachte, dass es nicht lange anhält.«
    »Sie hatten wahrscheinlich auch Angst, er würde Sie nicht mehr besuchen, wenn Sie ihn zu direkt mit diesen Dingen konfrontieren?«
    »Ja. Er war alles, was ich hatte.« Sie wandte sich an die Jury. »Ich war allein. Er war mein einziges Kind.«
    In den Gesichtern, die sie anschauten, spiegelte sich eher Skepsis als Mitleid.
    Jenny ließ Mrs. Jamal etwas Zeit, sich zu sammeln, bevor sie mit ihr über die letzten beiden Begegnungen mit Nazim sprach: die freudige Überraschung, als er sie im

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