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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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sich allerdings als friedlich.«
    »Sie selbst propagiert keine Gewalt. Einzelne Mitglieder schon.«
    »Denken Sie da an jemand Bestimmtes?«
    »Nein. Aber es würde mich nicht wundern, wenn die Al-Rahma-Moschee Leuten zugearbeitet hätte, die nicht in der Öffentlichkeit stehen.«
    »Sie denken, sie war vielleicht eine Basis für Anwerber?«
    »Möglich.« Miah bewunderte ein paar Schneeglöckchen, dann wandte er sich ihr wieder zu. »Wenn sie Jamal und Hassan allerdings einfach so in die Gruppe aufgenommen hätten, würde mich das schon wundern. Normalerweise indoktriniert die Hizb neue Mitglieder jahrelang, bevor sie ihnen den Treueschwur abverlangt.«
    »Treue wem gegenüber?«
    »Der Organisation. Ihrem Ziel, ein internationales Kalifat zu errichten. Sie ist keine gewöhnliche Partei mit kurzfristigen Vorhaben. Man möchte Gottes Willen verwirklichen, egal wie viele Generationen dazu nötig sein werden. Es gibt einen Dreistufenplan: Zuerst müssen Zellen und ein Netzwerk aus Mitgliedern etabliert werden, dann muss die Meinung der Muslime in Richtung eines islamischen Staats beeinflusst werden, und schließlich sollen Institutionen und Regierungen der Zielländer unterwandert werden, um eine Revolution von innen auszulösen.«
    »Aber warum sollten sich junge Männer und vor allem junge Frauen von diesen Ideen angesprochen fühlen?«, fragte Jenny. »Ich meine, wer möchte schon im Iran leben?«
    »Wir alle träumen davon, unser Leben zu entrümpeln,eine Schneise durch das Chaos zu schlagen und ihm Sicherheiten entgegenzusetzen«, sagte Miah. »Und welche Phase im Leben des Menschen ist beängstigender als der Übergang ins Erwachsensein? Wenn Ihnen dann irgendjemand den Weg zu Status und Sicherheit ebnen will und Ihnen obendrein noch das Gefühl moralischer Überlegenheit vermittelt, wäre es vermutlich auch für Sie schwer, Nein zu sagen. Und wenn man sich sowieso schon im eigenen Land als Fremder fühlt, ist man unweigerlich verführbar. Männer sind Eroberer, das liegt in unserer DNA. Der eigene Samen muss sich durchsetzen. Die komplizierten Institutionen der westlichen Welt sind genau aus dem Grund heraus entstanden, solche Instinkte kontrollieren zu wollen.«
    »Aber beide Jungen kamen aus guten Familien. Sie sprachen Englisch, waren integriert, etabliert …«
    »Die Eltern hegen keinerlei Illusionen darüber, wer oder was sie sind – Außenseiter. Ihre Nachkommen sind keine Außenseiter mehr, gehören aber auch nicht richtig dazu, also müssen sie um ihre Identität kämpfen.«
    »Haben Sie Rafi Hassan das angemerkt?«
    Miah hatte anscheinend genug von Schneeglöckchen und ging weiter. »Ich hatte nicht viel mit ihm zu tun. Ich sage den indopakistanischen Studenten immer, dass ich jederzeit für sie da bin, aber er ist nie auf mich zugekommen.«
    Jenny versuchte sich einen Reim auf den Mann zu machen. Mit seiner vorsichtigen Ausdrucksweise schien er ihr etwas mitteilen zu wollen, das er selbst nicht laut aussprechen mochte.
    »Ich weiß nicht, ob Sie etwas über meine Untersuchung gelesen haben«, sagte Jenny. »Aber ich habe einem Verein Befragungsrechte erteilt, der sich British Society for Islamic Change nennt. Vermutlich hat Anwar Ali etwas damit zu tun.«
    Miah nickte. »Das ist dieselbe Organisation wie die Hizbut-Tahrir, oder zumindest ein Ableger davon. Die Leute sind sehr raffiniert. Der Regierung machen sie weis, dass sie moderate Muslime sind, die sich um die emotional entfremdeten jungen Indopakistaner kümmern und sie in die Gesellschaft eingliedern. Wer sie kritisiert, gilt dementsprechend als Rassist. Ihre Philosophie aber bleibt immer dieselbe: Der Islam ist die eine und einzige Wahrheit und muss die Vorherrschaft gewinnen.«
    Er schüttelte leicht den Kopf. Seine Augen wirkten jetzt wie die eines älteren Herrn, der die Geschichte eines lange Jahre währenden sinnlosen Kampfes erzählt. »Wir befinden uns in einer schwierigen Phase, Mrs. Cooper. Für die meisten von uns ist das Leben zu komplex und zu anstrengend geworden, um unseren Platz darin zu begreifen. Und die Kräfte des liberalen Fortschritts bringen nur weitere Ungewissheiten, Konkurrenzkämpfe und Unwägbarkeiten mit sich. Ist es da ein Wunder, dass Fundamentalisten auftauchen und uns erklären, dass wir den Anker werfen sollen, bevor das Schiff an der Klippe zerschellt?«
    »Ich habe den Eindruck, Sie versuchen mir zu verstehen zu geben, dass die beiden Jungen zum Kämpfen ins Ausland gegangen sind.«
    Miah seufzte. Sein Atem

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