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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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auch nicht gerade auf Jungen mit Bärten und diesen komischen Klamotten, wie auch immer die heißen.«
    Jenny beobachtete, wie sie den Kaffeesatz in den Mülleimer leerte und ein paar braune Tropfen vom Tresen wischte. Wie eine Physikerin sah sie nicht gerade aus. Zu Jennys Studienzeiten waren Naturwissenschaftler meistens langhaarige Typen mit schlechter Haut gewesen. Die wenigen Frauen, die es unter ihnen gab, hatten immer ausgesehen, als würden sie gerade zu einer Wanderung aufbrechen.
    »Was ist Ihr Spezialgebiet, wenn ich fragen darf?«, fragte Jenny.
    »Teilchenphysik. Theoretisches Zeug. Wir suchen nach neuen Energiezuständen – nach dem Heiligen Gral.«
    »Muss eine ziemliche Männerdomäne sein, oder?«
    »Ich stamme aus einer Familie von Naturwissenschaftlern, daher habe ich das nie so gesehen.«
    Die Aufmerksamkeit gefällt dir aber vermutlich trotzdem , dachte Jenny.
    »Sie haben bei der Polizei eine Aussage gemacht, nachdem Nazim und der andere Junge verschwunden waren«, sagte Jenny. »Demnach haben Sie ihn einmal in der Mensa über Brüder reden hören, die nach Afghanistan gegangen sind.«
    »Das stimmt. Er saß mit einer Gruppe von Freunden zusammen. Damals hat man sich mit so etwas wichtiggemacht. Ich habe nur Gesprächsfetzen mitbekommen, Jungengeschwätz – wie cool es wäre, um sich zu schießen und Leute abzuknallen, solches Zeug. Sie haben gelacht und voreinander angegeben.«
    »An etwas Genaueres können Sie sich nicht erinnern?«
    »Nein, sonst hätte ich es der Polizei erzählt.« Sie nippte an ihrem Kaffee, ihre Hand war ruhig. »Außerdem ist das wahnsinnig lange her.«
    »Und im Fachbereich gab es kein Gerede? Keine Gerüchte, keine Spekulationen?«
    »Nein.« Sarah Levin runzelte die Stirn und schüttelte ihren schönen Kopf. »Es kommt einem immer noch genauso komisch vor wie damals. Er war einfach … verschwunden.«
    Alison war in einer ihrer angespannten, frostigen Stimmungen, die in den letzten Wochen immer häufiger auftraten. Genervt und ohne Jenny zu sagen, was sie beschäftigte, rannte sie in ihrem Büro hin und her und knallte in der Teeküche die Schranktüren. Jenny hatte ihr Verhalten immer auf die Wechseljahre oder die üblichen Streitereien mit ihrem Ehemann geschoben, aber an diesem Morgen war die Atmosphäre besonders erdrückend. Je angestrengter Jenny versuchte, Alison zu ignorieren, desto lauter wurden deren Schritte. Fast eine Stunde lang ertrug Jenny die Stimmung und arbeitete sich durch den jüngsten Schub Obduktionsberichte hindurch. Als sie ihre Aufmerksamkeit der Liste mit den schwarzen Toyotas zuwandte, kam Alison ohne anzuklopfen herein und knallte ihr die Post direkt auf die Liste, die sie gerade las.
    »Ihre Post. Von gestern ist auch noch etwas dabei.«
    Jenny riss sich zusammen. »Stimmt irgendetwas nicht?«
    »Wieso, Mrs. Cooper?«
    »Sie wirken aufgebracht.«
    Alison zwang sich zu einem dünnen Lächeln. »In einer Minute sind Sie mich los. Ich habe einen Termin, um Mr. Madogs Aussage aufzunehmen.«
    Das Spielchen folgte dem üblichen Muster. Alison würde mehrfach bestreiten, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte, bis sie sich schließlich dazu herablassen würde, Jenny ihren irrationalen Wunsch zu erfüllen und sich zu erklären.
    »Ich werde dieses Wochenende alle noch ausstehenden Akten bearbeiten«, sagte Jenny. »Wenn irgendwelche Ärztevom Vale Ihnen zusetzen, weil sie auf eine Entscheidung warten, können Sie ihnen sagen, dass sie spätestens am Montag alles haben werden.«
    »Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, lagen wir nicht mehr im Rückstand als sonst.«
    »Habe ich dann irgendetwas übersehen?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Oder habe ich etwas Falsches getan?«
    Alison runzelte ihre Stirn noch stärker.
    »Offenbar bin ich nahe dran«, sagte Jenny.
    Alison seufzte. »Es steht mir nicht zu, Ihnen zu sagen, wie Sie Ihre Arbeit zu machen haben, Mrs. Cooper, aber manchmal bin ich es leid, zwischen den Stühlen zu sitzen.«
    »Zwischen welchen Stühlen genau?«, fragte Jenny.
    »Dave Pironi hat mich gestern Abend angerufen und gefragt, warum sich Coroner plötzlich in polizeiliche Ermittlungen einmischen.«
    »Mrs. Jamals Tod betrifft meine Untersuchung.«
    »Es geht nicht nur um ihn. Ich hatte in dieser Woche auch mehrere Anrufe von Gillian Golder, die wissen wollte, wieso die Anhörung vertagt wurde.«
    »Das geht sie gar nichts an. Warum haben Sie sie nicht einfach zu mir durchgestellt?«
    Alison schaute sie an. Ihr Blick sprach

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