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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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Exbullen sollten wissen, dass Verbrecher nicht immer mit gezückten Messern herumlaufen.« Er nickte zu der Kirchenzeitung hinüber, die er auf den Tisch gelegt hatte. »Mir ist aufgefallen, dass Sie beide in dem Blatt dort erwähnt werden …«
    Alison durchquerte den Raum, schnappte sich ihren Mantel und verschwand.
    McAvoy nahm die Kirchenzeitung, schlug eine Seite auf und reichte sie Jenny. »Die Erwachsenentaufe ist eine wunderbare Angelegenheit, aber die Sache scheint an Glanz zu verlieren, wenn …«
    Er zeigte auf die Meldungen. Mrs. Alison Trent war als eins von fünf neuen Mitgliedern der Gemeinschaft Christiaufgeführt. Sie war am letzten Sonntag getauft worden und hatte zwei Paten, von denen einer als Dave Pironi aufgelistet war.
    »Das ist ziemlich mies«, sagte McAvoy. »Sogar für seine Maßstäbe. Wie hat er das nur geschafft? Sie hat doch keine tödliche Krankheit oder so, oder?«
    »Nein«, antwortete Jenny. »Nur etwas Ärger in der Familie.«
    Sie unterhielten sich in Jennys Büro weiter. McAvoy erklärte, der Prozess, mit dem er im Moment zu tun habe, sei vertagt worden, weil der Richter eine umfangreiche Anhörung anberaumen musste. Acht Mitglieder eines Pädophilenrings behaupteten, sie seien von den jeweils anderen in die Sache hineingezogen worden. Der Gedanke an Mrs. Jamal habe ihn die ganze Nacht nicht schlafen lassen, sagte McAvoy. Doch als ihm in den frühen Morgenstunden die Zigaretten ausgegangen waren, hatten sich die Teile langsam zu einem Ganzen zusammengefügt. Er hatte einen alten Kontaktmann bei der Polizei angerufen, der ihm von Pironis Versetzung nach New Bridewell erzählt und außerdem erwähnt hatte, dass Pironi offenbar bereits seit dem Tod seiner Frau in die Kirche ging. An Werktagen log und hurte er herum wie gehabt, aber sonntags wurde er neu geboren.
    Während des Gesprächs mit McAvoy lösten sich Jennys Zweifel an ihm in Luft auf. Er gab sich beherrscht und sachlich und lächelte schuldbewusst, wenn er wieder einmal übertrieben hatte. Sie hatte nicht den Eindruck, dass er erfundene Verschwörungstheorien verbreitete. Nachdem sie mit ihm bei Madog gewesen war und Alison so hartnäckig darauf bestanden hatte, dass er Zeugenaussagen fälschte, um sich zu rehabilitieren, war Jenny tatsächlich misstrauisch geworden. Doch als sie ihm nun in die Augen schaute,glaubte sie kein Wort von den Gerüchten. Wie passte Mrs. Jamals Tod zu Alisons Theorie? Wollte sie behaupten, dass McAvoy etwas damit zu tun hatte? Dass er sie mit nächtlichen Anrufen verfolgt hatte? Und weshalb? Um Pironi in Misskredit zu bringen?
    Nein, der Mann, der nun am offenen Fenster lehnte und eine Zigarette rauchte, war kein Monster. Er war zu nervös, hatte zu viel erlebt und wurde zu offensichtlich von einem schlechten Gewissen geplagt, um der Psychopath zu sein, als den Alison ihn hinstellte. Rücksichtslose Menschen hatten Charme, McAvoy strahlte Wärme aus. Sie war unbeständig, diese Wärme, eine nackte Flamme, die vor sich hinflackerte und zwischendurch aufloderte. Jenny spürte, wie sie in ihm brannte, und war überzeugt davon, dass seine leidenschaftliche Liebe zur Gerechtigkeit echt und tief war.
    Sie zeigte ihm Alisons Liste der Toyotas, von denen sie einige eingekreist hatte. Er überflog das Papier mit dem Auge des Strafrechtlers. »Wenn man jemanden beiseiteschaffen will«, sagte er, »benutzt man kein Privatfahrzeug. Vermutlich mietet man ein Auto, und zwar mit falschen Papieren, damit man die Spur verwischen kann.« Nur zwei Fahrzeuge auf der Liste waren auf Autovermietungen angemeldet. Eine saß in Cwmbran in South Wales, die andere lag dreißig Meilen nördlich in Hereford, auf der englischen Seite der Grenze.
    Jenny griff nach dem Handy und wollte beide anrufen.
    »Halten Sie das für eine gute Idee?«, fragte McAvoy. »Man weiß nie, wer alles zuhört.«
    »Sie haben recht. Ich werde hinfahren.«
    Es war Zeit, das Gespräch zu beenden. McAvoy schaute sie an, als sie nach einem taktvollen Weg suchte, ihm das klarzumachen.
    Doch er war schneller. »Wenn ich Ihre Assistentin damitnicht noch mehr aufbringen würde, würde ich fragen, ob ich mitkommen darf.«
    »Denken Sie, ich brauche jemanden zum Händchenhalten?«
    »Mrs. Jamal hätte jemanden gebraucht.«
    Jenny zuckte innerlich zusammen, gab sich aber Mühe, sich nichts anmerken zu lassen.

16
    A uf der einstündigen Fahrt in die ehemalige Kohlestadt Cwmbran rauchte McAvoy und döste vor sich hin. Ein, zwei Mal versuchte Jenny, ein

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