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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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abgesehen. Möchten Sie wirklich, dass so etwas passiert?« McAvoy trat noch einen halben Schritt vor und stand nun wenige Zentimeter vor dem großen, wesentlich kräftigeren Mann. »Oder möchten Sie lieber das Richtige tun?«
    Jenny beobachtete die Szene ungläubig. Der Mechaniker musterte McAvoy, hob den Schraubenschlüssel ein wenig an, bereit zum Schlag, besann sich dann aber eines Besseren, senkte das Werkzeug wieder, reckte trotzig das Kinn nach vorne und trat einen Schritt zurück. Schweigend ging er zu dem vollgestellten Brett, das ihm als Büro diente – eine Planke auf Reifenstapeln –, riss ein Stück Papier ab und kritzelte etwas mit einem Bleistiftstummel darauf. Den Zettel reichte er Jenny, dann verschwand er hinten im Gebäude. Chris Tathum, Capel Farm, Peterchurch .
    Sie steckten im Stau, direkt vor einem Gebäude, das einst ein Viehmarkt gewesen war. Ihre feuchten Mäntel ließendie Fenster beschlagen, und Jenny fühlte sich eingeengt. Am liebsten hätte sie eine Tablette genommen, traute sich aber vor McAvoy nicht. Sie hatte sowieso schon das Gefühl, keine Geheimnisse vor ihm zu haben, so als hätte er eine unnatürliche Begabung, ihre Schwächen zu durchschauen.
    Er brach das Schweigen, das zwischen ihnen herrschte, seit sie die Werkstatt verlassen hatten. »Sie wollen dem Mann nicht zufällig gleich einen Besuch abstatten, wo Sie schon einmal hier draußen sind?«
    »Ich bin keine Polizistin«, sagte Jenny schnell.
    »Aber Sie müssen ihn bitten, eine Aussage darüber zu machen, wo er in jener Nacht war.«
    »Ich werde meine Assistentin hinschicken.«
    Sie schoben sich ein paar Meter weiter. Die Ampel vor ihnen sprang wieder auf Rot.
    »Wenn Sie mich fragen, sollten Sie schon einmal vorbeischauen und ihm damit zeigen, dass Sie es ernst meinen. In aller Höflichkeit natürlich.«
    Jenny trommelte nervös mit den Daumen auf dem Lenkrad herum, hielt die Augen starr auf die Straße gerichtet und kämpfte gegen das Gefühl an, dass sich sämtliche Autos auf sie zuschoben.
    »Wenn Sie es nicht tun«, sagte McAvoy, »könnte er Ihnen durch die Lappen gehen. Die lettischen Jungs haben ihn nur ein paarmal gesehen. Der Typ von der Autovermietung wird schon seinen Chef angerufen haben, und der Mechaniker hat ihm vielleicht sogar bereits einen Tipp gegeben. Wenn die Lage etwas anders wäre, könnte man sich vielleicht von der Polizei helfen lassen, aber ich bezweifle, dass wir diese Option haben.«
    »Was bedeutet das alles für Sie?«, fragte Jenny. »Warum interessiert Sie dieser Fall? Sie werden doch nicht einmal dafür bezahlt.«
    Er nickte zum Turm der Kathedrale hinüber, der in der Ferne hinter einer falschen Stadtmauer aufragte, die einen Supermarkt umschloss. »Aus denselben Gründen, aus denen andere Leute so etwas gebaut haben – es scheint einfach das Richtige zu sein.«
    »Sie werden von einem Gefühl gelenkt, mhm?«
    »Wenn Sie so wollen.«
    »Warum hört sich das nur zynisch an?«, fragte Jenny.
    »Warum nicht – bei einem Mann mit meiner Geschichte?«
    »Genau das ist es. Begreifen Sie jetzt, warum ich Sie nicht chauffiere, um Mr. Tathum Hallo zu sagen?«
    McAvoy putzte mit dem Ärmel sein Seitenfenster. »Wissen Sie was, Jenny? Ich glaube nicht, dass ich es bin, vor dem Sie Angst haben. Oder Mr. Tathum, wer auch immer das sein mag. Die Person, die Ihnen den Arsch auf Grundeis gehen lässt, sind Sie selbst.« Er schaute sie über die Schulter hinweg an und musterte sie dann mit gerunzelter Stirn. »Ich habe den Fall verfolgt, mit dem Sie letztes Jahr zu tun hatten. Die beiden Jugendlichen, die in der Haftanstalt gestorben sind. Dazu war sicher eine Menge Mut nötig. Und wissen Sie, wovon ich überzeugt bin?«
    Jenny schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Es war ihm schon wieder gelungen, direkt in ihr Innerstes vorzudringen.
    »Wir finden uns nicht grundlos in solchen Situationen wieder. Ich würde wetten, dass Sie irgendetwas über sich gelernt haben. Sie haben diese Befugnisse und diese Macht übernommen, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken. Erst danach haben Sie sich über Ihren eigenen Mut erschrocken.«
    »Nicht ganz.«
    »Was ich damit sagen will: Sie wissen genauso gut wie ich, was es bedeutet, von etwas berührt zu werden. Es istkein angenehmes Gefühl. Beim ersten Mal wird man von einer Welle in die Höhe gehoben. Bei jedem weiteren Mal hat man meist die Wahl.«
    Hinter der Adresse verbarg sich ein kleines Bauernhaus im Schatten der Black Mountains. Von Peterchurch aus

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